Zum besseren Verständnis des geheimnisvollen zweiten
Teiles des zweiten hermetischen Gesetzes, Wie die
Vorderseite, so die Rückseite, müssen wir uns zuvor mit dem dritten
Gesetzes des Gottes Thoth und in weiterer Folge mit der Polarität der
Polarität sowie mit dem Gesetz des Ausgleiches beschäftigen. Nur
dann, wenn wir diese Gesetzmäßigkeiten verstanden haben, besitzen wir den
Schlüssel, der uns einen Zugang zum zweiten Teil des zweiten
hermetischen Gesetzes ermöglicht.
Das dritte
Gesetz des Hermes Trismegistos
unterstellt unser Dasein auf der irdischen Welt und das Sein
überhaupt dem Prinzip der Polarität.
Alles, was existiert, existiert als polare Kraft oder
Form.
So existiert der Mensch als Mann und als Frau. Die eine
Daseinsform bedingt die zu ihr gehörige, gegenpolare Form in dem Maße, dass die
singuläre Existenz einer einzelnen Form, Qualität oder Kraft, geradezu
denkunmöglich ist. Die Existenz des Mannes bedingt jene der Frau und umgekehrt.
Die Existenz der Erde, bedingt jene des Himmels, so wie der Tag die Nacht, und
der Krieg den Frieden bedingt.
Drückt man das Wahrgenommenen sprachlich in einem bestimmten
Begriff aus, so hat man dadurch auch das polare Gegenteil des verwendeten
Begriffes in die Welt gesetzt.
Ordne ich einer Blume das Adjektiv "schön" zu, so bedingt
allein das Vorhandensein der Eigenschaft "schön", dass auch eine gegenteilige
Qualität existieren muss, das Hässliche nämlich, um dem Begriff "Schönheit"
überhaupt Substanz und Sinn zu verleihen.
Das Werturteil "gut" bedingt die synonym verwendeten
gegensätzlichen Werturteile "schlecht", "ungut", "böse", und diese bedingen
ihrerseits die Existenz des "Guten". Das Helle steht dem Dunklen polar
gegenüber, und diese beiden Pole bedingen einander ebenso, wie der Tag die
Nacht, die Sonne den Mond, die Ebbe die Flut, und das Relative das Absolute
bedingt.
Der Taoismus bezeichnet diese Gegensatzpaare, in denen sich das
Sein ausdrückt, mit "Yin" und "Yang".
Die Pole Yin und Yang sind aber nur Abstraktionen jenes
Prinzips, und sie stehen synonym für die unzähligen, konkreten Gegensatzpaare,
die unsere Realität sowie die Vielzahl der in ihr enthaltenen Dinge und Kräfte
gerieren. Diese Vielzahl der Dinge und Kräfte in der Welt der Erscheinungen,
die Zehntausend Wesen, wie sie Laotse bezeichnete, entsteht aus der
Spannung und Verschmelzung der polaren Kräfte.
Das polare Gegensatzpaar, Mann und Frau, verschmilzt in der
sexuellen Vereinigung, und es entsteht dadurch etwas Neues, etwas Drittes: das
Kind bzw. die Familie.
Das Kind und gleichwohl die so entstandene Familie sind für
sich genommen wieder Pole im Spiel der Polarität. Tun sich zwei oder mehrere
Familien zusammen, so kann dies ein Schritt zu weiteren polaren
Verschmelzungen sein, aus denen Neues hervorgeht - zB eine
Siedlungsgemeinschaft.
Verschmelzen die Pole solcher Gemeinschaften, so entstehen als
Drittes vielleicht Dörfer, in weiter Folge vielleicht sogar Städte und
Nationen.
Tag und Nacht "berühren" sich, und es entsteht als Drittes die
Dämmerung. Warm und Kalt treffen aufeinander, und es entsteht das Laue...
Ich denke, Du hast das dritte Gesetz des
Hermes Trismegistos damit begriffen. Lass uns nunmehr ein noch
geheimnisvolleres Gesetz betrachten, nämlich das Gesetz der Polarität der
Polarität, bevor wir auf den nicht leicht zu fassenden zweiten Teil
des zweiten hermetischen Gesetzes 'Wie die Vorderseite, so auch
die Rückseite' zurück kommen.
|