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Die Hermetische Wissenschaft - Teil 5 von 9
von Dr. Friedrich Demolsky

Die Polarität der Polarität & das Gesetz des Ausgleichs

Wenn alles Sein nach den ewig gültigen Gesetzen des Hermes Trismegistos dem Prinzip der Polarität unterliegt und Ausdruck dieses Prinzips ist, dann muss es auch eine Polarität der Polarität geben.

Und wenn es zutrifft, was uns die jüdische Geheimlehre der Kabbala mit der Glyphe des sogenannten "Baum des Lebens" lehrt und Laotse im Tao Te Ching, nämlich, dass mit der Zahl Eins auch die Zahl Zwei in Existenz treten muss, - womit die Polarität geschaffen ist -, und diese Zwei wiederum - in Verbindung mit der Eins - die Drei hervorbringen und aus letzterer schließlich die Vielheit - die zehntausend Wesen - emanieren, dann ist die Polarität der Polarität die Einheit.

Die Polarität der Polarität ist jenes Wesen, das die Religionen "Gott", die chinesischen Philosophen "Tao", die Hindus "Brahman", die jüdische Kabbala "Ain Soph Aur", und die Balinesen "Ida Sang Hyang Widhi Wasa" nennen. Es ist der 'Unmoved Mover', das 'Tat Tvam Asi', das 'Ich-bin-der-ich-Bin', das ich das allumfassendes Bewusstsein nenne.

Die Polarität der Polarität ist das Eigenschaftslose, das Unbeschreibliche, das Numinose, das Alles-in-Einem ist. Sie ist das All-Mächtige, das All-Wissende und All-Gegenwärtige; sie ist das Alles-in-Einem-Sein...

Das Gesetz des Ausgleichs

Die Kräfte, die eine Polarität bilden, befinden sich scheinbar ständig in einem hegemonialen Kampf. Ihr Gleichgewichtszustand ist somit labil und dynamisch.

Einmal ist es das Yin, das die Oberhand für sich beansprucht und scheinbar auch erhält. Die Ausdehnung der Vormachtstellung des Yin, ist aber nicht von Dauer, denn das Gesetz des Ausgleiches, die Balance, verlangt, dass das labile dynamische Gleichgewicht zwischen beiden Kräften stets erhalten bleiben muss.

Dies erkennt man sehr schön am bekannten chinesischen Symbol des Tai Chi. In einem Kreis, sind Yin und Yang als Polarität dargestellt; die eine Kraft weiß, die andere schwarz. Sie befinden sich in einem immerwährenden labilen und dynamischen Gleichgewichtszustand.

Noch bevor die eine Polarität Yin ihre maximale Ausdehnung und Vormacht über die andere Polarität erlangt hat, wird der Impuls zur Peripetie, zum Umschwung zur gegensätzlichen Kraft (Yang), der selbst ein Teil der Yin-Kraft ist, ausgelöst. Der Impuls für den Kräftewechsel ist im Symbol des Tai Chi in der Form eines kleinen Kreises dargestellt, und zwar in der Farbe, die der gegensätzlichen Kraft (Yang) zugeordnet ist.

Die polare Kraft, Yin, das weibliche Prinzip, erreicht also ihre maximale Ausdehnung und triumphiert scheinbar über das Yang, das männliche Prinzip. Aber bereits bevor Yin seinen Höhepunkt im ewigen 'Kampf' der Polaritäten erreicht, das heißt bevor das Weibliche seine maximale Macht über das Männliche erlangt hat, wird der Impuls zum Umschwung ausgelöst. Die gegensätzliche Yang-Kraft, wird dadurch zur langsamen Ausdehnung veranlasst.

Und wieder sieht es im Ablauf der Zeit so aus, als würde in der Folge nun das männliche Prinzip, die Vorherrschaft über das weibliche erlangen. Doch das Schicksal von Yin muss auch das Yang ereilen, da dies vom Prinzip des Ausgleichs der polaren Kräfte zur Aufrechterhaltung des Weltgeschehens im 'Schöpfungsplan' so vorgesehen ist.

Die Balance zwischen beiden Polen muss angestrebt, und das labile dynamische Gleichgewicht zwischen den polaren Kräften muss aufrechterhalten werden...

Auch Weltreiche, Hochkulturen und ganze Völkerschaften sind diesem Prinzipien unterworfen. Nach den Wirkungsweisen dieser Prinzipien erblühten sie und nach denselben Wirkungsweisen waren sie dem Untergang geweiht.

Einst hochstehende Kulturen, wie die römische vor mehr als 2000 Jahren, wurden in der Blüte ihrer kulturellen Entwicklung von primitiven Stämmen im Zuge der Völkerwanderung unterworfen. Andere, wie die Hochkultur der Atlanter, wurden durch tektonische Umwälzungen völlig ausgemerzt.

Das Rad des Lebens dreht sich unentwegt, und es gibt keinen Stillstand. Nichts ist von Dauer, weder auf dieser Welt, noch im Universum. Alles unterliegt dem steten Wandel und der permanenten Veränderung. Auf die Nacht folgt notwendig der Tag und auf die Sorge, notwendig die Freude. Auf Gesundheit folgt Krankheit, und auf das Leben muss notwendig der Tod folgen...

Wir haben nun die wichtigsten hermetischen Grundsätze verstanden. Damit haben wir alle Voraussetzungen geschaffen, die es uns ermöglichen werden, die esoterische Botschaft des zweiten Teiles des zweiten hermetischen Gesetzes zu verstehen, auf die ich im nächsten Artikel dieser Serie zurück komme.
 

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