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Tod, wo ist Dein Stachel? – Teil 1 von 4
von Dr. Friedrich Demolsky
 

Kondolenzschreiben von der Schamaneninsel

Liebe Hinterbliebene,

Ich möchte Euch allen meiner aufrichtigen Anteilnahme bezüglich des Ablebens Eures lieben Verwandten bzw. Freundes versichern.

Ich weiß sehr gut, welche Gefühle der Tod eines geliebten oder nahestehenden Menschen in uns hervorruft und kann durchaus nachempfinden, was in Euch allen vorgeht. Worte des Trostes sind niemals einfache Worte, und wirklich Trost zu spenden ist keine leichte Aufgabe. Trotzdem möchte ich dies gerne aus weiter Ferne auf meine Weise versuchen, ohne mich dabei in Trivialität zu verstricken.

Wir Menschen werden niemals den Tod verstehen, sein essenzielles Wesen akzeptieren, oder seinen Wert begreifen, so lange wir nicht das Leben selbst verstanden haben.

Solange wir uns vorstellen, dass sich unsere Essenz, unser Leben als Mensch, aus einer rein biologischen Funktionalität entfaltet, wird der Tod für uns zur überall lauernden Gefahr, zur Bedrohung, zum Ende, zum unvermeidlichen Moment unserer Auslöschung und Vernichtung.

Wenn wir die populäre Hypothese akzeptieren, welche im Westen erst im späten 19. Jahrhundert aufkam, wonach unser Bewusstsein aus einem Mechanismus der natürlichen Selektion hervor gegangen sein soll, dann binden wir eine ganze Menge selbstzerstörerischer Qualitäten an unser Selbstbild.

Wer das Bewusstsein als ein Produkt der neuralen Funktion seines Gehirns begreift, für den wird der Tag kommen, an dem seine Synapsen ihre Funktion einstellen, und er als Individuum ein Gleiches tut.

Es gibt aber in dieser modernen Betrachtungsweise Illusionen, mit denen ich mich näher befassen möchte. Vielleicht kann es die dabei eingenommene, schamanisch orientierte Perspektive leichter für Euch machen, die Bedeutung hinter dieser Botschaft des Trostes und der Anteilnahme zu verstehen.

Es gibt auf Bali bestimmte Arten von Fledermäusen, welche bei ihrem Flug durch den Nachthimmel einen ununterbrochenen Laut erzeugen, der zwischen niederen und hohen Tönen wechselt.

Aber die Frequenz dieser Töne ist ziemlich hoch für den menschlichen Gehörsinn, wobei die Schwingungen der meisten Töne oberhalb des Erfassbaren liegen.

Wenn wir uns auf die Laute dieser Nachtschwärmer konzentrieren, dann können wir bloß eine Serie hochtöniger, aber unterbrochener Tschirps wahrnehmen. Dieses unterbrochene Tschirpen stellt die untersten Frequenzen jenes Tones dar, die unser Gehör auszumachen vermag.

Durch jene Illusion wird vielleicht für den einen oder anderen offenbar, dass auch das Wesen dieser Realität in einer Kontinuität besteht, in einer Beständigkeit, die unabhängig von allem Wandel rings um uns existiert.

Aber jenes Wesen der Existenz bleibt für die meisten Menschen durch ihre illusionäre, bruchstückhafte und verzerrte Wahrnehmung der Realität im Verborgenen. Und diese buchstückhafte Wahrnehmung ist ein Resultat unseres limitierten Bewusstseins.
 

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