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Nyepi - Das balinesische Neujahrsfest
von Dr. Friedrich Demolsky
 

Ein Fest der Stille, Meditation und Selbstreflexion

Heute, am 7. März 2008, ist der Tag des balinesischen Neujahrs, Nyepi genannt, einer der wichtigsten religiösen Feiertage auf der Götterinsel.

Obwohl wir heute den 7. März 2008 nach dem im Westen gültigen Gregorianischen Kalender schreiben, ist dieser Tag im balinesischen Saka-Kalender mit 7. März 1930 benannt.

Bei dem in jeder balinesischen Familie vorzufindenden Saka Kalender handelt es sich um einen hinduistischen Mondkalender, der seinen Ursprung in Südindien hat. Er entstand während einer Zeit, in der ein Herrscher mit dem selben Namen in dieser Region an die Macht kam.

Nach dem Saka-Kalender endet jeder der 12 Mond-Monate an einem Neumond, der auf Bali 'Tilem' genannt wird.

Das neue Jahr beginnt nach dem Saka-Kalender immer einen Tag nach jenem Neumond, der den 9. Mond-Monat vollendet. Dieser Tag fällt nach dem Gregorianischen Kalender meist in den Monat März.

Der Kalender selbst beginnt sein numerisches System mit der Saka-Aera in Indien. Da der Stamm des Herrschers Saka - es wird vermutet, dass es sich um Skythen handelte - im Jahr 78 n. Chr. gemäß dem Gregorianischen Kalender in dieser Region an die Macht kam, ist das numerische System des Saka-Kalenders um 78 Jahre hinter dem des gregorianischen.

Es soll hier angemerkt werden, dass es nicht unüblich für frühe Kalendersysteme war, das Neujahr in den Monat März zu verlegen.

Am 21. März tritt die Sonne in das erste Tierkreiszeichen, den Widder, ein. Dieser Tag wird als Frühlingsäquinoktium bezeichnet, jene Tagundnachtgleiche, die den Frühlingsbeginn einläutet und damit auch das Erwachen alles Lebendigen aus der Kälte und Öde des Winters.

Obwohl es auf Bali keinen Winter gibt, haben einige Teile Indiens dennoch Jahreszeiten, und der Saka-Kalender stammt von jenem Subkontinent.

Auch der Gregorianische Kalender weist mit einigen seiner Monatsnamen darauf hin, dass irgend wann vor seinem Inkrafttreten, das Neujahr im Monat März angesiedelt gewesen war. Obwohl der Oktober unser 10. Monat ist, der November der 11. und der Dezember der 12., sind die Namen dieser Monate der lateinischen Sprache entlehnt und bedeuten soviel wie der Achte, Neunte und Zehnte. Diese Bezeichnungen stammen aus jener frühen Zeit, in der das Neue Jahr auch im Westen zu einer Zeit begonnen hatte, die wir nunmehr mit März bezeichnen.

Wie bereits eingangs gesagt, ist heute der Tag des balinesischen Neujahrs, der auf Bali 'Nyepi' genannt wird. Und dieser Tag ist ein ganz besonderer Tag für die Balinesen.

Das Neue Jahr wird auf Bali mit einem Tag und einer Nacht der vollkommener Stille begonnen. Nyepi ist der Meditation, des Fastens, des In-sich-Gehens, der Reflexion und Kontemplation gewidmet. Am Vortag des Nyepi werden zahlreiche Opferungen dargebracht, um die bösen Geister und Dämonen - auf Bali 'bhutas' und 'kalas' genannt - zu besänftigen und dadurch die Balance zwischen Gut und Böse wieder herzustellen.

Am Tag und in der Nacht des Nyepi gibt es keinen Verkehr auf den Straßen und kein Flugzeug landet am Airport. Alles steht still auf Bali. Überall herrscht Ruhe, Stille und Eintracht, die nur von den Lauten der Natur, vom Gezwitscher der Vögel, dem Gekreische der Affen und dem gelegentlichen Bellen der Straßenhunde unterbrochen wird.

Den Balinesen ist es an ihrem Neujahrstag, Nyepi, nicht gestattet, ihren Familiencompound zu verlassen. Musik und Fernsehen sind ebenso verboten, wie das Verwenden einer Lichtquelle, denn dieser eine Tag und diese eine Nacht im Jahr sind auf Bali der Beschaulichkeit und der Selbstreflexion gewidmet. Auch Touristen dürfen zu Nyepi ihr Hotel nicht verlassen, denn die Tradition hat auf Bali Vorrang.

Die Einhaltung der Verbote des Ausgehens und der Verwendung von Lichtquellen aller Art wird am Tage und in der Nacht des Nyepi von eigens dazu abgestellten Patrouillen streng kontrolliert. Wenn diese während der Neujahrsnacht eine Lichtquelle entdecken, dann wird sofort mit einer starken Taschenlampe eine Warnung an die Menschen in diesem Hause gegeben. Wird darauf nicht reagiert, dann kommt es gar nicht selten vor, dass ein Stein die Fensterscheibe des Hauses zerbricht, in dem diese alten sittlichen Normen verletzt wurden.

Im Zusammenhang mit dem Neujahrstag, steht ein weiteres Brauchtum, das auf Bali 'Ogoh-ogoh' genannt wird. Dieses findet am Vorabend des balinesischen Neujahrs statt und ist ein Riesenspektakel.

Das Brauchtum des Ogoh-ogoh ist ganz den Dämonen auf Bali gewidmet. In wochenlanger Vorbereitung fertigen die Balinesen kunstvolle, übermenschengroße Figuren hässlich aussehender Dämonen aus Pappkarton an. Diese werden in der Nacht vor dem Neujahrstag auf Bambusbarren durch die Straßen getragen. Viele Jugendliche beteiligen sich am Ogoh-ogoh. Sie tragen den von ihrem Banjar (kleinste Verwaltungseinheit auf Bali) beigestellten Dämon aus Pappkarton auf Bambusgestellen durch Sanurs Hauptstraße Jalan By Pass Ngurah Rai.

Tausende Menschen sind in der Nacht des Ogoh-ogoh auf der Straße, um das gespenstisch anmutende Treiben der von den verschiedenen Banjars beigestellten, hässlichen Dämonen-Figuren zu beobachten.

Etwa 15 bis 20 solcher Figuren haben wir an diesem Abend in Sanur allein. Das Ganze mutet wie eine Prozession der Boshaftigkeit und Hässlichkeit an. Die Fratzen der riesigen Dämonen-Figuren übertreffen einander an übelwollender Hässlichkeit.

Wenn man aber in die Gesichter der Partizipanten an dieser schauerlichen Prozession blickt oder in jene der Zuschauer, dann sieht man darin Begeisterung und Freude, Heiterkeit, Lust und Unterhaltung.

Am Tage des Ogoh-ogoh werden auf Bali die Dämonen und bösen Geister besänftigt. Manche sehen den Zweck dieses  Brauchtums darin, dass durch jene Prozession des Schreckens die 'bhutas' und 'kalas' - die bösen Mächte und Dämonen - auf die vielen Opferungen aufmerksam gemacht werden sollen, die man ihnen an diesem Tage bereitet hat. 

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