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Die Renaissance des Archaischen - Teil 1 von 7
von Dr. Friedrich Demolsky
 

Einführung und Begriffsabklärung

Vorauszuschicken ist, dass die Wiedergeburt des Archaischen im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts ihren Anfang nahm. Mit ihr ging eine noch nie zuvor da gewesene Wiederbelebung des Schamanismus und des Gebrauches schamanischer Zauberpflanzen einher. Beides dauert bis zum heutigen Tage an.

Im Zuge dieser Entwicklung tauchten in einigen Ländern der Dritten Welt neue psychedelische Religionen auf, welche das christliche Sakrament der Eucharistie durch sog. entheogene Pflanzen ersetzt haben, dh durch einen Extrakt aus jenen Zauberpflanzen und psychoaktiven Pilzen, die bereits seit vorgeschichtlichen Zeiten in ganz unterschiedlichen schamanischen Kulturen rituell eingenommen werden.

a) Neue psychedelische Religionen

So wird heute in der Native Church of America ein Extrakt aus dem Peyote Kaktus (Lophophora williamsii) als Sakrament gespendet, das die psychoaktive Substanz Meskalin enthält.

Etwa in der Mitte des vorigen Jahrhunderts entstand in Brasilien ein weiterer  messianischer Kult mit dem Namen

Peyote Kaktus

Santo Daime, der sich rasch in den europäischen Raum ausbreitete. Diese religiöse Bewegung nahm ihren Anfang, nachdem ein Brasilianer namens Raimundo Irineu Serra (1892-1971) die Schamanenpflanze Ayahuasca eingenommen und eine Vision der Jungfrau Maria hatte.

Nach der Legende jener Heilserwartungsbewegung sei ihm Maria als ‚Königin des Waldes’ erschienen und hätte ihm den Gebrauch von Ayahuasca (Banisteriopsis caapi) zur 'wahren Kommunion mit dem Göttlichen' enthüllt.

Aus diesem Grunde wird in der Santo Daime das christliche Pseudo-Sakrament einer 'geweihten Oblate' (Hostie) durch einen Trank ersetzt, der unter Verwendung der Schamanenpflanze Ayahuasca zubereitet wird. In der afrikanischen Bwiti Religion bildet heute die entheogene Pflanze Iboga oder Ibogane das wahre Sakrament, welches den Gläubigen bei rituellen Anlässen gespendet wird.

b) Entheogene Reformation

Der Psychopharmakologe Jonathan Ott hat im Jahre 1979 gemeinsam mit dem Bankier und Pilzforscher R. Gordon Wasson (1898-1986) den bis dahin unbekannten Begriff ‚entheogen’ kreiert. Die Gruppe um Ott und Wasson prophezeite sogar eine ‚entheogene Reformation’, welche die spirituellen Nöte der Menschheit heilen würde.

R.Gordon Wasson

Der Begriff ‚entheogen’ bezieht sich auf psychoaktive Pflanzen und Pilze, welche auch heute noch in unterschiedlichen schamanischen Kulturen bei rituellen Anlässen eingenommen werden (siehe oben).

Die kultische Verwendung psychoaktiver Gewächse reicht aber weit zurück in die Vorgeschichte.

R. Gordon Wasson stellte eine entheogenen Theorie über den Ursprung der Religion auf. Darin versuchte er zu beweisen, dass die Anfänge der Religion mit der rituellen Einnahme des Fliegenpilzes (amanita muscaria) einher gehen würden.

Dem widersprach ein bedeutender Vertreter der dritten Generation der Proponenten der entheogenen Revolution, der Psychonaut Terence McKenna (1949 - 2000) in einem ganz entscheidenden Punkt. McKenna experimentierte ebenfalls mit psychoaktiven Pflanzen zum Zwecke der Bewusstseinserweiterung und der unmittelbaren Erfahrung des Göttlichen.

Terence McKenna

Seine Thesis unterscheidet sich dadurch von Wassons Theorie über den Ursprung der Religion, als McKenna die Anfänge der Bewusstseinserweiterung und damit den Beginn der Religion mit dem rituellen Gebrauch von Magic Mushrooms (Stropharia cubens oder auch Psilocybe cubens) durch die Urahnen der menschlichen Spezies verknüpfte.

Auch ich erblicke in den mutagenen Bildekräften des Psilocybinpilzes jenen ‚Missing Link’, von dem man uns im Biologie-Unterricht (nichts) erzählt hat. Unsere Wissenschaftler suchen m.E. an der falschen Stelle nach dem fehlenden Bindeglied in der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen, das die Ursache für die enorme Zunahme des Gehirnvolumens unserer Spezies erklären könnte. Deshalb tappen sie auch noch immer im Dunkeln. Die Wissenschaftler werden dennoch nicht müde, ein bislang unauffindbares Bindeglied (Link) in der Reihe unserer Urahnen zu bemühen, welches (möglicherweise) die 250%ige Zunahme des Gehirnvolumens erklären könnte, die sich innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes bei unseren Urahnen vollzogen hat. Für die Wissenschaft bleibt es daher weiterhin ein ungelöstes Phänomen, dass ein affenähnliches Säugetier, das gerade erst den Dschungel Afrikas verlassen hat, binnen einer relativ kurzen Zeitspanne von 6 Millionen Jahren zum Mond fliegen, das Sonnensystem erkunden und teilweise sogar verstehen kann.

Nachdem unser Urahne den aufrechten Gang erlangte hatte, konnte er erstmals sein ursprüngliches Biotop, den subtropischen Dschungel Afrikas, verlassen. In weiterer Folge durchstreifte er als Jäger und Sammler über Hunderte Millennien die Weiten der afrikanischen Savanne. Es war also bloß eine Frage der Zeit, bis er auf den Magic Mushroom stieß und dieses Gewächs verzehrte. Die dadurch ausgelösten Visionen und Emotionen rieten unseren Urahnen zur Wiederholung der Einnahme dieses Zauberpilzes. Im Laufe der Zeit wurde dessen Verzehr innerhalb der archaischen Stammesgemeinschaften ritualisiert.

Es war demnach die rituelle Einnahme psychoaktiver Gewächse durch unsere Urahnen, welche tatsächlich zur Vergrößerung des Gehirnvolumens unserer Spezies und damit einhergehend zu einer radikalen Veränderung der Wahrnehmungsfähigkeit bei unseren Urahnen führte. Im Laufe der Jahrtausende bewirkte die rituelle Einnahme psychoaktiver Pilze und die damit einhergehende Bewusstseinserweiterung das Aufdämmern von Animismus und Schamanismus in den Tiefen der Altsteinzeit. Bei beiden Phänomenen handelt es sich nicht um eine Religion, sondern eher um eine vorreligiöse Disziplin. Den Beginn dieser Entwicklung habe ich aufgrund kürzlich gemachter, sensationeller archäologisch und kunsthistorisch bedeutsamer Funde zwischen 800.000 und 500.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung angenommen.

Lies dazu meine Artikelserie 'Das Alter des Schamanismus - Teil 1 - 5' >>>

c) Die Psychonauten

Der Begriff 'Psychonaut' stammt von Ernst Junger, einem deutschen Forscher und Schriftsteller, der sich mit psychoaktiven Substanzen beschäftigte.  Junger war ein Kollege von Albert Hofmann, dem Entdecker von LSD. Mit 'Psychonaut' bezeichnete er eine Person, welche die Psyche 'bereist' bzw. 'ausleuchtet'. Auch der Psychopharmakologe Jonathan Ott verwendete das davon abgeleiteten Hauptwort 'Psychonautik' und das Eigenschaftswort 'psychonautisch'.

Der Begriff 'Psychonaut' wird heute von vielen Autoren auch zur Bezeichnung von Personen gebraucht, welche die 'Psyche der Welt', die 'Welten-Seele' oder 'anima mundi' erforschen. Diese Forschungsarbeit erfolgt oft durch Eigen- oder Fremdexperimente mit unterschiedlichen psychoaktiven Gewächsen oder mit synthetisch hergestellten, bewusstseinsverändernden Drogen.

In bestimmten traditionellen schamanischen Kulturen bezeichnet man psychoaktiven Pflanzen und Pilze auch heute noch als 'Heilige Pflanzen-Lehrer' oder als 'Fleisch der Götter'.

Die gesamte Psychonautik war und ist an der Natur interessiert. Das Ergebnis ihrer Forschungsarbeit lässt uns Gaia, die Große Mutter, die uns und alle anderen Geschöpfe hervorgebracht hat und ernährt, als eigenständiges Lebewesen erkennen. Das Interesse der Psychonauten gilt aber auch dem Wesen des Menschen, dh jener psychischen und mentalen Qualität, die nur unserer Art eigen ist und diese definiert. Der Zweck der Psychonautik besteht darin, ein tieferes Wissen um die Essenz dieser Realität und unseres Daseins zu erlangen. Der Psychonaut sucht letztendlich nach einer neuen Form der Wahrnehmung. Er sucht nach einer unverzerrten, unlimitierten und klaren Schau der Wirklichkeit.

Psychonauten haben schon immer geahnt, dass es allein das 'Klare Bewusstsein' ist, welches es unserer Spezies ermöglichen wird, sich in Harmonie mit Mutter Erde und ihren mannigfaltigen Geschöpfen zu entwickeln. 

d) Der Begriff 'Entheogen'

Wörtlich übersetzt, bedeutet das Eigenschaftswort ‚entheogen’: ‚das Göttliche im (eigenen) Inneren enthüllend’.

Mit den Hauptwörtern ‚Entheogen’ oder ,Entheogene’  bezeichnet man in freier Natur vorkommende Pflanzen und Pilze, die bei oraler Einnahme einen besonderen Rauschzustand induzieren, der dem Individuum das Göttliche in seinem Inneren offenbart.

Painting des Ayahuasca Schamanen
Don Pablo Ameringo*)

Der Pilzforscher und Vertreter der ersten Generation der entheogenen Revolution R. Gordon Wasson schrieb dazu: „Soweit mir bekannt ist, gibt es kein genuines Entheogen, das zur Sucht führt, wie auch immer die Umstände sein mögen. Alle Entheogene erzeugen vielmehr einen Zustand der Ehrfurcht und Verehrung sowie der Hinwendung zum Guten“.

An diesem Punkt erhebt sich freilich die Frage, warum entheogene Pflanzen in den meisten modernen Ländern dennoch vom Suchtgiftgesetz erfasst werden, und deren Besitz, Gebrauch und Vertrieb bei Strafandrohung verboten ist?

*) Anmerkung zum obigen Foto

Don Pablo Amaringo war nicht nur ein legendärer peruanischer Schamane, sondern auch ein Lehrer und Künstler. Er starb nach längerer schwerer Krankheit am 16.12.2009 in Pucallpa, Peru. Amaringo wurde 1943 in Puerto Libertad, im peruanischen Amanzonasgebiet geboren. Im Alter von 10 Jahren nahm er erstmals die entheogene Schamanenpflanze Ayahuasca ein. Eine ernsthafte Herzerkrankung und die Behandlung derselben mittels Ayahuasca ließen ihm später seine Berufung zum Schamanen erkennen. Amaringo wurde in der Folge ein bekannter Curandero. Im Jahre 1977 gab er seine Tätigkeit als Schamane auf und beschäftigte sich von nun an als Maler und Lehrer.

Als Künstler ist Pablo Amaringo für seine farbenfrohen Ayahuasca-Visionen weit über Südamerika hinaus bekannt. Dennis McKenna, der jüngere Bruder von Terrence Mc.Kenna, und Luis Eduardo Luna, welche Amaringo während eines ethnobotanischen Projektes kennen lernten, erkannten in seinem Werk eine Versinnbildlichung jener inneren Visionen, die im Rauschzuständen aufzutreten pflegen, welche durch die Einnahme von Ayahuasca induziert werden.

Interessant ist, dass in Amaringos Gemälden von inneren Ayahuasca-Visionen immer wieder auch UFOs auftauchen. Wir werden darauf noch im Rahmen dieser Serie zurueck kommen. McKenna und Luna stellten Don Pablo Amaringo wegen der Bedeutung seiner psychedelischen Kunst der westlichen Öffentlichkeit vor. Später gaben Amaringo und Luna das Buch 'Ayahuasca Visions: The Religious Iconongrahpy of a Peruvian Shaman' heraus. 
 

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