Vorauszuschicken ist, dass die Wiedergeburt des Archaischen im ersten
Drittel des vorigen Jahrhunderts ihren Anfang nahm. Mit ihr ging eine noch
nie zuvor da gewesene Wiederbelebung des Schamanismus und des Gebrauches
schamanischer Zauberpflanzen einher. Beides dauert bis
zum heutigen Tage an.
Im Zuge dieser Entwicklung tauchten in einigen Ländern der Dritten Welt neue psychedelische Religionen auf,
welche das
christliche Sakrament der Eucharistie durch sog. entheogene Pflanzen
ersetzt haben, dh durch einen Extrakt aus jenen Zauberpflanzen und
psychoaktiven Pilzen, die bereits seit vorgeschichtlichen Zeiten in
ganz unterschiedlichen schamanischen Kulturen rituell eingenommen werden.
a)
Neue psychedelische Religionen
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So wird heute in
der
Native Church of America ein Extrakt aus dem Peyote Kaktus
(Lophophora
williamsii)
als Sakrament gespendet, das die psychoaktive Substanz Meskalin
enthält.
Etwa in der Mitte des vorigen Jahrhunderts entstand in
Brasilien ein weiterer messianischer Kult mit dem Namen |
Peyote Kaktus |
Santo Daime, der sich rasch in den
europäischen Raum
ausbreitete. Diese religiöse Bewegung nahm ihren Anfang, nachdem ein
Brasilianer namens Raimundo Irineu Serra (1892-1971) die
Schamanenpflanze Ayahuasca eingenommen und eine Vision der Jungfrau
Maria hatte.
Nach der Legende jener Heilserwartungsbewegung sei ihm Maria als ‚Königin des Waldes’ erschienen und
hätte ihm
den Gebrauch
von Ayahuasca (Banisteriopsis
caapi)
zur
'wahren Kommunion
mit dem Göttlichen' enthüllt.
Aus diesem
Grunde wird in
der Santo Daime das christliche Pseudo-Sakrament
einer 'geweihten Oblate' (Hostie) durch einen Trank ersetzt, der unter Verwendung
der Schamanenpflanze Ayahuasca zubereitet wird. In der afrikanischen
Bwiti Religion bildet heute die entheogene Pflanze Iboga oder
Ibogane das wahre Sakrament, welches den Gläubigen bei rituellen
Anlässen
gespendet wird.
b) Entheogene
Reformation
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Der Psychopharmakologe Jonathan Ott hat im
Jahre 1979 gemeinsam mit dem Bankier und Pilzforscher
R. Gordon
Wasson
(1898-1986)
den bis dahin unbekannten Begriff
‚entheogen’ kreiert. Die Gruppe um Ott und Wasson
prophezeite sogar eine
‚entheogene Reformation’, welche die spirituellen Nöte der
Menschheit heilen würde. |
R.Gordon Wasson |
Der Begriff ‚entheogen’ bezieht sich auf
psychoaktive Pflanzen und Pilze, welche auch heute noch in
unterschiedlichen schamanischen Kulturen bei rituellen Anlässen
eingenommen werden (siehe oben).
Die kultische
Verwendung psychoaktiver Gewächse reicht aber weit zurück in die Vorgeschichte.
R. Gordon Wasson stellte eine
entheogenen Theorie über den Ursprung der Religion auf. Darin versuchte er zu beweisen, dass die
Anfänge der Religion mit der rituellen
Einnahme des Fliegenpilzes
(amanita
muscaria)
einher gehen würden.
|
Dem widersprach ein bedeutender
Vertreter der dritten Generation der Proponenten der entheogenen
Revolution, der Psychonaut Terence McKenna
(1949
- 2000)
in einem ganz entscheidenden Punkt.
McKenna
experimentierte ebenfalls mit psychoaktiven Pflanzen zum Zwecke
der Bewusstseinserweiterung und der unmittelbaren Erfahrung des Göttlichen.
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Terence McKenna |
Seine Thesis unterscheidet sich dadurch von Wassons Theorie
über
den Ursprung der Religion, als McKenna die Anfänge der
Bewusstseinserweiterung und damit den Beginn der Religion mit dem rituellen Gebrauch von
Magic Mushrooms (Stropharia
cubens
oder auch Psilocybe cubens) durch die Urahnen der menschlichen
Spezies verknüpfte.
Auch ich
erblicke in den mutagenen Bildekräften des
Psilocybinpilzes jenen ‚Missing Link’, von dem man uns im
Biologie-Unterricht (nichts) erzählt hat. Unsere Wissenschaftler suchen m.E.
an der falschen Stelle nach dem fehlenden Bindeglied in der
stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen, das die Ursache für die enorme
Zunahme des Gehirnvolumens unserer Spezies erklären könnte. Deshalb tappen
sie auch noch immer im Dunkeln. Die Wissenschaftler werden dennoch nicht
müde, ein bislang unauffindbares Bindeglied (Link) in der Reihe unserer
Urahnen zu bemühen, welches
(möglicherweise) die 250%ige Zunahme des Gehirnvolumens erklären könnte, die sich innerhalb
eines relativ kurzen Zeitraumes bei unseren Urahnen vollzogen hat. Für
die Wissenschaft bleibt es daher weiterhin ein ungelöstes Phänomen, dass
ein affenähnliches Säugetier, das gerade erst den Dschungel Afrikas
verlassen hat, binnen einer relativ
kurzen Zeitspanne von 6 Millionen Jahren zum Mond fliegen, das Sonnensystem erkunden
und teilweise sogar verstehen kann.
Nachdem unser Urahne den aufrechten Gang erlangte hatte, konnte er erstmals
sein ursprüngliches Biotop, den subtropischen Dschungel Afrikas, verlassen.
In weiterer Folge durchstreifte er als Jäger und Sammler über Hunderte
Millennien die Weiten der afrikanischen Savanne. Es war also bloß eine
Frage der Zeit, bis er auf den Magic Mushroom stieß und dieses
Gewächs
verzehrte. Die dadurch ausgelösten Visionen und Emotionen rieten unseren
Urahnen zur Wiederholung der Einnahme dieses Zauberpilzes. Im Laufe der Zeit
wurde dessen Verzehr innerhalb der archaischen Stammesgemeinschaften ritualisiert.
Es
war demnach die
rituelle Einnahme psychoaktiver Gewächse durch unsere Urahnen, welche
tatsächlich zur Vergrößerung des Gehirnvolumens unserer Spezies und damit
einhergehend zu einer radikalen Veränderung der Wahrnehmungsfähigkeit bei
unseren Urahnen führte. Im Laufe der Jahrtausende bewirkte die rituelle
Einnahme psychoaktiver Pilze und die damit einhergehende
Bewusstseinserweiterung das Aufdämmern von Animismus und Schamanismus in
den Tiefen der Altsteinzeit. Bei beiden Phänomenen handelt es sich nicht um
eine Religion, sondern eher um eine vorreligiöse Disziplin. Den Beginn dieser Entwicklung habe ich aufgrund
kürzlich
gemachter, sensationeller archäologisch und kunsthistorisch bedeutsamer Funde zwischen 800.000
und 500.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung angenommen.
Lies dazu meine Artikelserie 'Das Alter des Schamanismus -
Teil 1 - 5' >>>
c) Die Psychonauten
Der Begriff 'Psychonaut' stammt von
Ernst Junger, einem deutschen Forscher und Schriftsteller, der sich mit
psychoaktiven Substanzen beschäftigte. Junger war ein Kollege von
Albert Hofmann, dem Entdecker von LSD. Mit 'Psychonaut' bezeichnete
er eine Person, welche die Psyche 'bereist' bzw. 'ausleuchtet'. Auch
der Psychopharmakologe Jonathan Ott verwendete das davon abgeleiteten
Hauptwort 'Psychonautik' und das Eigenschaftswort 'psychonautisch'.
Der Begriff 'Psychonaut'
wird heute von vielen Autoren auch zur Bezeichnung von Personen gebraucht, welche die
'Psyche der Welt', die 'Welten-Seele' oder 'anima mundi' erforschen. Diese Forschungsarbeit
erfolgt oft durch
Eigen- oder Fremdexperimente mit unterschiedlichen psychoaktiven
Gewächsen oder mit synthetisch hergestellten, bewusstseinsverändernden
Drogen.
In bestimmten traditionellen schamanischen Kulturen
bezeichnet man psychoaktiven Pflanzen und Pilze auch heute noch als
'Heilige Pflanzen-Lehrer' oder als 'Fleisch der Götter'.
Die gesamte Psychonautik war und ist an der Natur interessiert.
Das Ergebnis ihrer Forschungsarbeit lässt uns Gaia, die Große Mutter, die uns und alle anderen
Geschöpfe hervorgebracht hat
und ernährt, als eigenständiges Lebewesen erkennen. Das Interesse der
Psychonauten gilt aber auch dem Wesen des Menschen, dh jener psychischen
und mentalen Qualität, die nur unserer Art eigen ist
und diese definiert. Der
Zweck der Psychonautik besteht darin, ein tieferes Wissen um die Essenz dieser
Realität
und unseres Daseins zu erlangen. Der Psychonaut sucht
letztendlich nach
einer neuen Form der Wahrnehmung. Er sucht nach einer unverzerrten, unlimitierten und
klaren Schau der Wirklichkeit.
Psychonauten haben schon immer geahnt, dass es
allein das 'Klare Bewusstsein' ist, welches es unserer Spezies
ermöglichen wird, sich in Harmonie
mit Mutter Erde und ihren mannigfaltigen Geschöpfen zu entwickeln.
d) Der Begriff 'Entheogen'
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Wörtlich übersetzt, bedeutet das Eigenschaftswort ‚entheogen’: ‚das
Göttliche im (eigenen) Inneren enthüllend’.
Mit den Hauptwörtern
‚Entheogen’ oder ,Entheogene’ bezeichnet man in freier
Natur vorkommende Pflanzen und Pilze, die bei oraler Einnahme einen
besonderen Rauschzustand induzieren, der dem Individuum das Göttliche in seinem Inneren offenbart.
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Painting des
Ayahuasca Schamanen
Don Pablo Ameringo*) |
Der Pilzforscher und Vertreter der ersten Generation der entheogenen
Revolution
R. Gordon
Wasson
schrieb dazu: „Soweit mir bekannt ist, gibt es kein genuines Entheogen,
das zur Sucht führt, wie auch immer die Umstände sein mögen. Alle
Entheogene erzeugen vielmehr einen Zustand der Ehrfurcht und Verehrung sowie
der Hinwendung zum Guten“.
An diesem Punkt erhebt
sich freilich die Frage, warum entheogene Pflanzen in den meisten modernen
Ländern dennoch
vom Suchtgiftgesetz erfasst werden, und deren Besitz, Gebrauch und Vertrieb bei Strafandrohung verboten
ist?
*)
Anmerkung zum obigen Foto
Don
Pablo Amaringo war nicht nur ein legendärer peruanischer Schamane, sondern auch ein
Lehrer und Künstler. Er starb nach längerer schwerer Krankheit am 16.12.2009 in
Pucallpa, Peru. Amaringo wurde 1943 in Puerto
Libertad, im peruanischen Amanzonasgebiet geboren. Im Alter von 10 Jahren
nahm er erstmals die entheogene Schamanenpflanze Ayahuasca ein. Eine ernsthafte Herzerkrankung und die
Behandlung derselben mittels Ayahuasca ließen ihm später seine Berufung
zum Schamanen erkennen. Amaringo wurde in der Folge ein bekannter
Curandero. Im Jahre 1977 gab er seine Tätigkeit als Schamane auf und
beschäftigte sich von nun an als Maler und Lehrer.
Als
Künstler ist Pablo Amaringo für seine farbenfrohen
Ayahuasca-Visionen weit über Südamerika hinaus bekannt. Dennis
McKenna, der jüngere Bruder von Terrence Mc.Kenna, und Luis Eduardo Luna, welche Amaringo
während
eines ethnobotanischen Projektes kennen lernten, erkannten in seinem Werk
eine Versinnbildlichung jener inneren Visionen, die im Rauschzuständen
aufzutreten pflegen, welche durch die Einnahme von Ayahuasca
induziert werden.
Interessant ist, dass in Amaringos
Gemälden von inneren
Ayahuasca-Visionen immer wieder auch UFOs auftauchen. Wir werden darauf
noch im Rahmen dieser Serie zurueck kommen. McKenna und Luna
stellten Don Pablo Amaringo wegen der Bedeutung seiner
psychedelischen Kunst
der westlichen Öffentlichkeit vor. Später gaben Amaringo und Luna
das Buch 'Ayahuasca Visions: The Religious Iconongrahpy of a Peruvian
Shaman' heraus.
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