Dr. Friedrich de
Molski, der Mann aus Sanur, hatte auch eine kurze Notiz geschickt, in der er
hinwies, dass seine Frau wieder Seminare über den Schamanismus veranstaltet.
Er selbst war ein Kenner dieses Metiers, hatte jahrelang in Tibet gelebt und
in Bali in eine Familie geheiratet, die einige über das Dorf hinaus bekannte
Schamanen hervorgebracht hatte. Gregor kannte ihn schon länger, er war ein
hochintelligenter Mann, der als Richter in Wien tätig war, bevor in den
Ruhestand trat und sich in Bali niederließ. Raffael schaute Gregor über die
Schulter, „mit diesem de Molski wolltest du mich doch bekannt machen, ich
wollte schon immer in dieses mystische Gebiet reinschnuppern, speziell hier
auf Bali, der Insel der Götter und Dämonen, wobei ich manchmal glaube, dass es
mehr Dämonen als Götter hier gibt“. „Ich werde uns ankündigen, begeben wir uns
einmal in die Welt der Schamanen“, ging Gregor auf Raffael ein. Er schrieb
gleich an Fritz wie er ihn nannte und bat ihn, Gregor einen Termin bekannt zu
geben, an dem sie ihn besuchen könnten.
Die Nachricht von
Fritz de Molski war auch schon angekommen. „Bin für Euch täglich von 14.00 bis
19.00 Uhr bei mir im Haus verfügbar, danach in der kleinen Bar meiner Frau
„Baby Blue“ in der Jl. Danau Toba Nr. 6. Gebt mir Bescheid“
„Wir werden zu
Dr. de Molski nach Sanur fahren, er ist Gelehrter in Sachen Schamanismus, wenn
euch das auch interessiert könnt ihr mitfahren“, erklärte Gregor den beiden
Damen. „Das würde mich schon interessieren, wäre das auch was für dich?“,
sagte Jasmin und wandte sich zu ihrer Freundin. „Natürlich, ich habe schon
viel davon gehört, das möchte ich mir gerne anhören“, antwortete Swetlana.
„Gut, wir fahren morgen“, war das kurze Statement von Raffael, „schreib ihm
gleich Gregor, wann sollten wir fahren?“ „Sagen wir um drei, dann sind
wir um halbvier dort, einverstanden?“ Nach der allgemeinen Zustimmung ging
Gregor und verständigte seinen Freund in Sanur. Anschließend unterhielten sie
sich noch über den Schamanismus und mussten sich eingestehen, dass sie
eigentlich sehr wenig darüber wussten. „Ich glaube in Russland gab es Mönche, die besondere
Fähigkeiten besaßen, Heilungen vorzunehmen, war nicht Rasputin auch so eine
Art Schamane? Das müssen wir deinen Freund fragen, der weiß das bestimmt“,
ging die Überlegung von Swetlana in Richtung Schamanen in ihrer Heimat. „So
Wunderheiler hat es schon immer gegeben, viele davon waren Scharlatane, die
nur die Angst und Hoffnungslosigkeit der Menschen ausnützten, die schwer krank
waren, und sie machten Geschäfte mit der letzten Hoffnung. Ich weiß auch zu
wenig, doch es hängt mit den Naturheilkräften zusammen, und es gibt Menschen,
die können diese Kräfte weitergeben, eben die Schamanen, und dadurch Körper
und Seele durch einen Prozess wieder gereinigt in Schwung bringen, so stelle
ich mir das vor, aber wir werden es morgen erfahren“, war Gregors Vorstellung
zu diesem Thema.
Sie trafen sich
am darauffolgenden Tag um 15.00 Uhr bei dem großen Kreisverkehr, am Parkplatz
der Kuta Galerien. Raffael folgte Gregor mit seinem Auto, da er ja den genauen
Weg nicht kannte. Bei Fritz angekommen wurden sie mit aufrichtiger
Herzlichkeit vom Hausherren und seiner Frau Ketut begrüßt. „Dass ich dich
wieder einmal sehe grenzt an ein Wunder, wie oft habe ich dich schon
eingeladen, na jetzt bist du ja da, und ich freue mich besonders, auch deine
Freunde in meinen Haus begrüßen zu dürfen“. Gregor umarmte Fritz, sprach ein
paar entschuldigende Worte wegen seines langen Ausbleibens und machte ihn und
seine Frau mit seinen Freunden bekannt. Sie setzten sich an den großen weißen
Marmortisch, der in der Ecke des Wohnbereiches stand. „Was darf ich euch
anbieten? Wein Bier, Kaffee, Juice, Wasser? Ketut hat noch einen kleinen
Imbiss vorbereitet, gegrillte Garnelen, wenn euch das Recht ist. Raffael du
trinkst mit mir ein gutes Bier, nehme ich an, Gregor bekommt wie immer sein
Bitter Lemon, das habe ich stets eingekühlt, falls er doch einmal
vorbeischaut“. Irgendwie war da ein leichter Vorwurf herauszuhören, kam Gregor
vor. „Hat es ein Ablaufdatum? Ich werde dir die verdorben gewordenen Getränke
ersetzen, du armer Mann“, stichelte Gregor, worauf Fritz wieder lachen musste.
„Siehst du, dieser Schmäh ist mir abgegangen“. Ein Hausmädchen brachte die
Getränke, die köstlichen Garnelen kamen mit frischem Toast auf dem Tisch.
Gregor begann nachdem die ersten Stücke verspeist waren, mit dem eigentlichen
Thema: „Wir wollen uns allgemein über den Schamanismus informieren, und es
wäre schön wenn du uns in dieser Richtung etwas aufklärst, wir wissen fast
nichts“. Fritz lebte auf, seine Augen leuchteten, „Ich finde es großartig dass
ihr euch dafür interessiert, es ist ein Thema, manchmal unerklärlich, aber
hochinteressant. Gregor kommt wie ich aus Wien, Raffael, du bist aus Polen,
wenn ich das richtig verstanden habe, und Swetlana aus Russland, Jasmin ist
fast schon Balinesin mit einer Mischung aus Wien und Vietnam, wie Gregor
erzählt hat. Liege ich soweit richtig?“ Fritz holte sich die Bestätigung
seiner Fragen ein und fuhr dann mit dem eigentlichen Thema fort. „Beim
Schamanismus handelt es sich um ein weltumspannendes Phänomen. Wir finden
dieses nicht nur in allen traditionellen Gesellschaften Asiens, sondern auch
in Sibirien, bei den Eskimos auf den Aleuten, in Amerika und insbesondere auf
dem Schwarzen Kontinent. Der Schamanismus auf der Götterinsel Bali hat seine
besondere magische Ausprägung aus der Verschmelzung von Animismus mit der
ersten Weltreligion, dem Hinduismus, erhalten. Wann immer sich eine
Weltreligion mit dem Glauben an die Beseeltheit aller Dinge, das heißt mit
dem Animismus verschmolzen hat, ist daraus eine 'magische Kultur’ entstanden.
Ein weiteres Beispiel dafür ist der Voodoo Kult, der heute im Benin und Mali
in Westafrika und in der Karibik praktiziert wird. Die magischen Praktiken
dieses schamanisch-magischen Kultes haben ihre Wuzeln in der Verschmelzung von
Animismus mit der christlichen Religion. Bleiben wir aber jetzt auf unserer
Insel.
Über ganz Bali
breiten sich die schamanistisch-magische Aktivitäten aus. Es gibt unzählige
Schamanen und Magier, Frauen und Männer, die täglich ihre besonderen Dienste
für Einheimische erbringen. Touristen werden davon kaum berührt.
Die Schamanen hier werden „Balian“ genannt. Schamanische
Heilbehandlungen werden auf Bali aber nur von bestimmten Gruppen von Balianen
durchgeführt, zum Beispiel von den Vertretern der Gruppen Balian Apun und
Balian Uat. Ich will euch aber jetzt nicht mit zu viel Einzelheiten
konfrontieren. Jedenfalls haben sich diese Baliane seit Generationen auf
traditionelle Heilbehandlungen spezialisiert. Unser Körper wird von
Lebensenergie oder Prana durchströmt. Diese Energie wird durch fluidale
Kanäle oder Meridiane geleitet. Da diese Kanäle nicht sichtbar sind, sind
sie für die westliche Schulmedizin unbeachtlich. Das gilt aber nicht für die
chinesische Medizin. Diese weiß seit Jahrtausenden von der Existenz jener
fluidalen Kanäle, Meridiane und Energiebahnen und behandelt deshalb viele
Krankheiten durch Akkupunktur und Akkupressur, das heißt durch Stimulierung
oder Sedierung der fluidalen Lebensenergie. Diese unsichtbaren Energiebahnen
können beispielsweise entlang eines Knochens oder Muskels verlaufen, oder
einer Ader, oder sie können auf einen Nerv liegend fast überall im Körper
vorhanden sein. Wenn diese unsichtbaren Kanäle blockiert oder verkrümmt sind,
kommt es häufig zu Unbehagen, Depressionen und Ähnlichem, bis hin zu schweren
Krankheiten. Der Balian Apun oder der Balian Uat erkennt nun durch seine
übernatürlichen Fähigkeiten diese Störungen im Körper und löst diese Blockaden
in mehreren Behandlungen auf“.
Fritz war in seinem Element, er ging richtig auf und
fühlte sich echt gefordert durch seine interessierten Zuhörer. Er fuhr fort:
„Die Chakren, das sind unsichtbare Energiewirbel, die hauptsächlich entlang
der Wirbelsäule verlaufen, verteilen die einströmende Lebensenergie und
bilden fluidale oder ätherische Körper aus, die unseren physischen Körper
umhüllen. Die Gesamtheit dieser ätherischen Körper nennen wir Aura. Wenn
die entlang der Wirbelsäule gelegenen Chakren durch Blockaden oder
Verunreinigungen träge geworden sind, kann sie der Schamane reinigen und deren
Rotationsgeschwindigkeit erhöhen. Er kann auch große Pranamengen, das heißt
großen Mengen an purer Lebensenergie, auf den Klienten übertragen. Es kommt
zu einer Reinigung der Aura und die körpereigenen Selbstheilkräfte und das
Immunsystem werden gestärkt und auf ein Maximum erhöht. Das wäre so im Grunde
die Awendungsmethode der Schamanen und wodurch die Heilungen erzielt werden.
Wenn ihr euch noch intensiver mit diesem Phänomen beschäftigen wollt, dann
schaut in meine Webseite
http://balishaman.com,
da könnt ihr alles nachlesen. Ich habe
viele Artikel über Schamanismus, Magie, Heilen und Bewusstseinsforschung
verfasst, und ich sage euch, wenn ihr einmal in diese Welt vorgestoßen seid,
lässt sie euch nimmer los, es ist faszinierend“.
Der Vortrag, es war schließlich einer, wurde von den
Gästen mit Applaus honoriert, der vom Hausherrn wohlwollend zur Kenntnis
genommen wurde. „Es gibt doch auch diese dunkle Seite des Schamanismus? Wie
ist es mit der?“ , richtete Raffael die Frage an Fritz. „Du sprichst ein sehr
heikles Thema an, ich sage dir gleich, mit diesen Schwarzmagiern möchte ich
nichts zu tun haben. Diese werden auf Bali und in Indonesien Dukun Sandet
genannt. Einige agieren in den Hochburgen der Schwarzen Magie wie an unserem
Wohnort Sanur, aber auch in Singaraja im Norden der Insel sowie in Banjuwangi,
einer Provinz im Osten Javas. Sie bringen viel Unheil und Leid für die
Einheimischen und sind deshalb das Gegenteil von den Heilern. Schwarzmagier
nützen ihre übernatürlichen Kräfte, um Böses zu tun. Es tut mir leid, ich
möchte darüber nicht sprechen“. „Nur noch eine Frage,“ versuchte Raffael das
Thema fortzuführen „in Bali wird doch das Böse nicht bekämpft, und das Gute
nicht gefördert, es wird versucht das Gleichgewicht herzustellen, das Böse hat
also auch sein Berechtigungsdasein, ist das dann bei dem Schamanismus in Bali
nicht auch so?“
Fritz war gar nicht begeistert über diese Frage, er
hatte sie auch nicht erwartet, er war ein wenig irritiert, doch dann
schilderte er die Situation aus seiner Sicht: „Du musst eines bedenken, wenn
du diese Tür öffnest, in diese Richtung gehst, wird dir und deiner Familie
Unheil widerfahren. Jeder Fluch, den du gegen andere aussprichst, wird
verstärkt auf dich und dein Umfeld zurück kommen.
Fritz erwartete
keine Reaktion von Raffael, für ihn war das Thema abgeschlossen. Raffael hatte
den Eindruck, Fritz vermied dieses Thema deswegen, um keine bösen Geister zu
wecken. Ketut, die reizende Hausfrau, brachte noch Kaffee und selbst gemachtes
Gebäck. Gregor nutzte die Gelegenheit und bat Fritz, ihm kurz ins Internet zu
lassen, damit er seine Mails abrufen konnte. „Kein Problem, komm nach oben“,
sagte Fritz und ging vor. Im Büro angekommen begann Gregor: „Es war nur ein
Vorwand, ich wollte dich etwas fragen und vor den Anderen nicht darüber
sprechen“. Fritz sah ihn etwas erstaunt an. „Was hast du am Herzen? Schieß
los!“ „Weißt du, in letzter Zeit habe ich ziemliche Depressionen, nicht immer,
es sind so Wellen, die kommen und gehen und mir kommt vor, sie werden immer
schlimmer. Ich habe meinen Freunden und Jasmin nichts gesagt, doch es belastet
mich schon. Jetzt meine Frage an dich: Ist es möglich durch eine
schamanistische Behandlung eine Heilung oder zumindest eine Linderung
herbeizuführen?“ Fritz hörte aufmerksam zu und sagte dann: „Hast du schon
einen Psychiater aufgesucht?“ Gregor etwas enttäuscht: „Fritz, du kennst mich
doch schon lange und bist nicht blöd, du kannst dir denken welchen Job ich
habe, du weißt auch dass ich darüber nie sprechen werde, um niemanden in
Gefahr zu bringen. Wenn ich nun zu einem Psychiater ginge, mich dort auf die
Couch lege, er vielleicht noch mit Hypnose arbeitet, und ich ihm von meinen
Problemen erzähle, die durch den Job verursacht wurden, er dann zu mir mit
leiser eindringlicher Stimme sagt, erzählen sie mir von ihrer Arbeit, dann
habe ich, bevor ich zu mir komme, die Handschellen um. Also Fritz, versteh
doch, die Schamanen fragen nicht und machen mich vielleicht gesund“.
Fritz musste über
die Vorstellung Gregor beim Psychiater lachen. „Du hast Recht, ich habe nicht
daran gedacht, ich stelle mir vor wie der Seelenklempner große Augen machen
würde, wenn du ihm über einige Einzelheiten deines Jobs erzählen würdest. Ich
vermute du bist manisch depressiv, du müsstest einige Behandlungen über dich
ergehen lassen. Bei der Ersten scannt der Schamane einmal deinen gesamte
Körper, beziehungsweise er spürt die Störungen in deinen fluidalen Körpern,
Energiebahnen und Chakren auf, und erst dann erfolgt Behandlung, um das aus
den Fugen Geratene wieder ins Lot zu bringen. Ich würde dir noch fünf bis
acht schamanische Heilbehandlungen empfehlen, ob du dann von deinem Leiden
komplett befreit bist, kann ich dir nicht sagen, du weißt, es gibt keine
Garantie, aber ich bin sicher, dass du eine stark spürbare Linderung deiner
Depression erfahren wirst, das habe ich während meines langjährigen Studiums
immer beobachten können. Wenn du willst kann dich Ketut bei einem
schamanischen Heiler in ihrer Familie anmelden.“ „Das wäre toll, du gibst mir
dann Bescheid, wenn er bereit ist. Was zahle ich dem Mann?“ „Gar nichts, die
Schamanen arbeiten unentgeltlich, aber davon können sie natürlich nicht leben.
Sie haben alle vielköpfige Familien, deswegen gibst Du Ketut eine Spende für
die Familie des Heilers, in deinem Falle eine großzügige, du kannst es dir
leisten und der Familie ist geholfen, sie wissen aber nicht, dass sie was
bekommen und wie viel, es kann ihre Konzentration nicht beeinflussen.“
Nach diesem
produktiven Gespräch gingen sie wieder nach unten, setzten sich an den Tisch,
an dem jetzt auch Ketut Platz genommen hatte, und nahmen an der laufenden
Unterhaltung teil. Ketut beantwortete geduldig alle Fragen, die hauptsächlich
von den Frauen gestellt wurden, sie war ja der eigentliche Kontakt zu den
Schamanen und die Inhaberin des weltweit operierenden schamanischen
Servicedienstes ‚Balishaman – Bali Shamanic Services’. Ketut veranstaltete
auch einwöchige Individualreisen und zweiwöchige Studien- und Heilungsreisen
zu Balis Schamanen, Geistmedien und Heilern, die in Europa angeboten werden.
"Es gäbe noch viel zu erzählen", sagte Fritz´Frau beim Verabschieden, doch es
wird sicher wieder eine Gelegenheit geben, bei der sie die Gespräche
fortsetzen können.
Jasmin hatte noch
während der Heimfahrt glänzende Augen, so hatte sie diese Unterhaltung
fasziniert. „Das war eine gute Idee, ich bin von dieser geheimnisvollen Welt
der Magie und des Schamanismus auf Bali begeistert, ich werde darüber lesen,
es interessiert mich, es war schön“. Sie nahm Gregors Kopf und presste ihm
einen Kuss auf die Wange. Sie war aufgekratzt, richtig aufgeladen. „Es scheint
dich ja richtig gepackt zu haben“, bemerkte Gregor. „Ja, Wahnsinn, das ist ja
ein ungemein breites Feld, das sich da auftut, übernatürliche Kräfte,
Geistmedien, fremde Welten, unglaublich“. Während der gesamten Fahrt nach
Padang Padang unterhielten sie sich über dieses unerschöpfliche Thema.
Es war für Gregor
wieder an der Zeit, sich der nächsten schamanischen Heilbehandlung bei Ketuts
Bruder zu unterziehen. Diesmal nahm er Raffael mit, um dessen Neugierde zu
befriedigen. Fritz war natürlich auch dabei, und Raffael fing wieder an, Fritz
über die dunkle Seite des Schamanismus auszufragen. „Du bist aber lästig in
dieser Hinsicht, ich werde dir nachher etwas zeigen, vielleicht vergeht dir
dann dein Forschungsdrang,“ dann zu Gregor: „Gregor du widmest dich deiner
Behandlung, und ich werde mit Raffael eine kleine Tour machen, einverstanden?“
Gregor hatte
nichts dagegen, er brauchte die Beiden sowieso nicht. „Komm Raffael, wir
nehmen mein Auto, ich zeige dir jetzt eine Familie, die unbedingt einen
verhassten Nachbarn, der ihnen immer Schwierigkeiten gemacht hatte, mit einem
Fluch eines Schwarzmagiers schaden wollte. Das hatte ja auch in gewisser
Hinsicht geklappt, der Nachbar bekam unmittelbar danach Malaria, wird seit dem
von Fieberschüben heimgesucht, seine Frau verließ ihn wegen seines Bruders,
noch ein paar Kleinigkeiten sind ihm zugestoßen. Aber jetzt gehen wir zu
dieser Familie, die jenen Fluch bei einem schwarzmagisch operierenden
Schamanen in Auftrag gegeben hat, eigentlich ging es von ihm aus, dem
Familienoberhaupt“.
Sie fuhren durch
Sanur, Kreuz und Quer durch die Ortschaft, als endlich Fritz den Wagen in eine
Seitengasse presste und stehen blieb. „So, hier sind wir, komm, wir müssen
dort rein“, sagte Fritz und deutete auf ein eisernes Tor.
Langsamen
Schrittes begaben sie sich zu diesem, nicht gerade einladendem Ungetüm einer
Eingangstüre, und Fritz pochte, unterstützt von seinen unverständlichen
Zurufen, an das Metall. Ein weiblicher Laut kam vom Inneren, und gleich darauf
öffnete sich quietschend und zaghaft der eine Flügel dieses sogenannten Tores.
Ein für dieses
Land blasses und vergrämtes Gesicht erschien den beiden Ankömmlingen. Ein
kleiner, kaum merkbarer Freudenschimmer erhellte kurz das Antlitz dieser Frau
als sie Fritz erblickte. Sie sprach ein paar emotionale Worte in ihrer
Muttersprache, nahm die rechte Hand von Fritz und küsste sie, ohne dass er,
peinlich berührt, sie daran hindern konnte. Während sie zum Haus gingen,
erklärte Fritz Raffael die Gegebenheiten: „Ich habe diese Menschen immer
unterstützt, soweit es mir möglich war, deswegen diese Unterwürfigkeit, die
ich ja gar nicht mag, aber diese Menschen sind eben so.“ Es klang, als ob er
sich entschuldigen wollte. Raffael sah es aber ganz nüchtern: „Sie wollen sich
bei dir bedanken, das musst du doch verstehen, nimm diese Huldigung entgegen,
sie freut es, dass sie dir zeigen können wie dankbar sie dir sind und dir
schadet es nicht“. Fritz sah Raffael mit einem teils fragenden, teils
verstehenden Blick an: „Und du willst die schwarze Seite des Schamanismus
kennen lernen? Ich kann es nicht glauben, du bist doch ein totaler
Gefühlsmensch, ich dachte immer du bist kalt, wenigstens erweckt es den
Anschein, wenn man dich sieht, oder eben erst kennen gelernt hat, aber du hast
doch Tiefe, du bist nicht oberflächlich, das weiß ich. Mich kann man nicht so
schnell täuschen, willst du dein wahres Ich verstecken? Willst du den
Deckmantel des Gefährlichen, Eiskalten, Unergründlichen, Geheimnisvollen,
Unbesiegbaren und was es noch so gibt, über dich breiten? Das bist du doch
nicht, aber ich möchte nicht abstreiten, dass du es sein kannst oder könntest,
das trau ich dir wieder zu.“ Fritz gestand sich damit ein, dass er im Grunde
wusste, welch Mensch Raffael war, doch auch was er imstande wäre.
Sie standen vor
dem Haus dieser Familie, das Familienoberhaupt, sprich Ehemann dieser lieben
verhärmten Frau, saß in einem klapprigen hölzernen Rollstuhl, vermutlich aus
der holländischen Kolonialzeit auf der Veranda, soweit man es so nennen kann
und lächelte mit einer Gesichtshälfte Fritz zu. Fritz ergriff seine
unkontrolliert erhobene rechte Hand, schüttelte sie vorsichtig und sprach ein
paar durch sein Kopfnicken bekräftigte Worte zu dem Mann. Raffael beobachtete
den krampfhaften Versuch des bedauernswerten Mannes, sich der Freude
auszudrücken über den Besuch des Gönners. Raffael beobachtete diese Szene, und
er konnte sich nicht zurückhalten, um Fritz ein wenig wach zu rütteln: „Jetzt
geh doch hin, reiß ihn aus dem Sessel, umarme ihn, lass ihm deine Nähe spüren,
die Kohle allein macht es nicht, das solltest du auch wissen“.
Raffael war
richtig wütend, wo doch Fritz über Gefühle gesprochen hatte, die er
anscheinend nicht hatte, oder eben nicht zeigen wollte. Doch Raffaels Worte
zeigten Wirkung. Fritz umarmte den Mann, hob ihn etwas aus dem
Behindertenstuhl und drückte ihn an sich und klopfte ihm mit der flachen Hand
auf den Rücken. Die Freude des Mannes war groß, das Auge an der gesunden Seite
des Gesichtes wurde feucht. Ein tragisch schöner Moment. Sie setzten sich zu
dem Mann auf die Stufen der Veranda, und Fritz unterhielt sich in der
Muttersprache des Bedauernswerten. Die Frau des Hauses brachte Erfrischungen in
Form von kaltem Tee und Limonenwasser. Raffael ließ Fritz reden, hörte höflich
zu, obwohl er nichts verstand und ließ diese ergreifende Stimmung auf sich
wirken.
Raffael war
wirklich beeindruckt. „Du kannst jetzt natürlich sagen, das ist alles Zufall,
Schicksal wenn du so willst,“ fing Fritz während der Rückfahrt an, das Thema
zu erläutern. „Doch für die Menschen hier ist es eindeutig die Strafe für den
in Auftrag gegebenen Fluch. Ich selbst bin auch überzeugt, dass die dunklen
Mächte zurückschlagen, möglicherweise die guten Dämonen, die dem Abtrünnigen
ein Zeichen geben, als Warnung auch für solche wie dich, der du ja mit dem
Gedanken spielst, diese schwarzen Mächte für dich und deine Zwecke
auszunutzen. Damit spekulierst du doch, habe ich recht?“ „Ja, irgendwie schon,
wie genau weiß ich selbst noch nicht“, musste Raffael zugeben. „Du hast die
Leute jetzt gesehen, willst du, dass deine Swetlana so ein Schicksal erleiden
muss wie diese arme Frau? Willst du ihr zur Last fallen, hat sie sich das
verdient. Dass du mit voller Wucht die Macht spüren wirst, das ist klar, das
ist deine Angelegenheit und dein Risiko, doch dein Umfeld, die Menschen die du
liebst, die werden auch nicht verschont bleiben. Denk darüber nach“.
Er hat schon
recht, dachte sich Raffael, er dachte auch nach, wie es ihm Fritz empfohlen
hatte. Aber er dachte an einen Kompromiss. Er überlegte, ob es nicht möglich
wäre, diese Mächte so anzuwenden oder zu lenken, ohne dass dieser karmische
Vergeltungsmechanismus ausgelöst wird. „Was ist wenn ich einen für mich
unbedeutenden Menschen, besser noch, einen für mich verachtenswerten
Menschen, dazu bringe, zu so einem Schwarzmagier zu gehen, um ihn zu
beauftragen, einen Fluch auf ein gewisses Zielobjekt auszusprechen?“ Diese
gefinkelte Frage richtete Raffael an Fritz. „Du bist ja ein ganz Schlauer!
Trotzdem hast Du das Wesen der karmischen Wirkungen der Schwarzen Magie nicht
begriffen. Diese bringen nicht nur Unheil für das Opfer einer
schwarzmagischen Attacke, sondern auch für den Anstifter und Auftraggeber
sowie für den Schwarzmagier selbst, da alle unentrinnbar karmisch mit dem
Fluch verstrickt sind. Die Mächte der Finsternis und des Lichts kann man
nicht täuschen“. Er schüttelte den Kopf: „Ideen hast du, unglaublich“.
Gregor war schon
fertig und wartete auf die Beiden, „Na wie war's?“, fragte Raffael seinen Freund.
„Wie immer, super, ich fühle mich großartig, viel vitaler und energiegeladener
als bei den vorangegangenen Behandlungen, ich glaube ich kann mich auch besser
darauf einstellen.“ Gregor machte einen sehr relaxten und seelisch
ausgeglichenen Eindruck so wie er da saß in seinem Lehnsessel mit halb
geöffneten Augen. Dann erzählte er noch wie er das Gefühl bekam, zu schweben
bei vollem Bewusstsein wie ein Flug in eine andere Welt.
Raffael gingen
die Eindrücke des Tages immer wieder durch den Kopf. Er wollte trotz seiner
Faszination für das Böse auf keinen Fall seine Swetlana damit belasten oder
mit hineinziehen. Manches glaubte er ja nicht unbedingt, aber ausschließen
konnte er es auch nicht. So gesehen darf er sein Glück nicht aufs Spiel setzen,
und Swetlana war sein Glück.
„Weißt du, je
mehr man in die Tiefen dieser Geisterwelt vordringt, umso unergründlicher wird
es“. „Dann ist es besser du bleibst in dieser Welt und mir erhalten, ja
Schatz?“ „Ich werde nichts unternehmen, das uns schaden könnte. Ich verspreche
es. Ich werde mich nur informieren, weil es mich interessiert“.
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Söldners Raffael Krajewski, dessen Angebetete Swetlana, eine russische
Hure, Gregor aus den Fängen eines
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Raffael ist der dritte Erotikthriller von
Willi Benkovics, das ebenfalls in Südostasien spielt und seinen
Ausgangspunkt auf Bali hat. Auf den Seiten
144-151 und 186-189 bindet der Autor auch unserem
schamanischen Servicedienst BALISHAMAN sowie meine Frau Ketut und
mich (Fritz) in das Geschehen seines spannenden Krimis ein.
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Sein Held, der Auftragskiller Gregor Nemeth, unterzieht
sich bei unserem Heiler schamanischen Heilbehandlungen, um mit
seinem "Beruf" in unmittelbarem Zusammenhang stehende Depressionen los
zu werden. Raffael, dessen Freund und "Geschäftspartner" will die
Kraft schwarzmagisch operierender Schamanen auf Bali für deren
tödliches Business nutzen, wird aber durch mich (Fritz) über die
negativen Auswirkungen derart unmoralischer Praktiken auf die Person des
Auftraggebers aufgeklärt und sogar mit einem Opfer derartiger
Umtriebe persönlich bekannt gemacht.
Wie von Willi Benkovics nicht anders zu erwarten, ist
auch Raffael ein blutrünstiges Lesevergnügen der
besonderen Art, das den Leser nicht nur mit den Abgründen der
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