Im Zuge meiner Recherchen
zu einer früheren Artikelserie, bin ich auf einen
ungewöhnlichen Menschen gestoßen, der es verdient, meiner
Leserschaft vorgestellt zu werden.
Ungewöhnlich an jenem Mann ist
zunächst, dass er als
Schamane, Lehrer und Maler in einer indigenen schamanischen Kultur gewirkt hat, in einer
Kultur, in welcher die schamanische Zauber- und Lehrerpflanze Ayahuasca auch
heute noch rituell eingenommen wird. Weiters ist ungewöhnlich, dass jener
Mann in seinen späteren Jahren seine Berufung zum Schamanen aufgab und ein
weit über Südamerika hinaus bekannter Künstler wurde. In seinen Gemälden verlieh er
jenen Visionen Gestalt und Form,
welche er während seiner Zeit als Schamane unter Einfluss von Ayahuasca hatte.
Die farbenfrohen Gemälde
Don Pablo Amaringos geben uns eine Vorstellung betreffend die
Qualität jener Visionen, die unter
Einfluss der entheogenen Pflanze Ayahuasca auftreten.
Amaringos Werk ermöglicht uns überdies Einblicke in eine faszinierende
Narturmystik, die sich in den Tiefen des peruanischen Urwaldes entfaltet und das
Leben der Menschen in jenen entlegenen Gebieten ganz wesentlich bestimmt. Seine
Gemälde eröffnen uns ein
Fenster, durch welches wir die Gebräuche in einer indigenen schamanischen
Kultur betrachten können.
Don Pablo Amaringo versinnbildlichte aber auch Mythen,
die vor undenklichen Zeiten in jener unberührten Wildnis entstanden und
bei indigenen Stämmen
auch heute noch eine bedeutende Rolle spielen. Die inneren Bilder, welche
der Künstler unter Einfluss der schamanischen Lehrerpflanze Ayahuasca
geschaut und in seinem Werk dargestellt hat, nehmen häufig Bezug auf den Ayahuasca-Schamanismus im Urwald des peruanischen Amazonas. Sie
geben uns Einblicke in die Welt der curanderos und vegetalistas, der
indigenen Schamanen und Heiler, und die von ihnen verwende-ten Zauber- und
Heilpflanzen. Amaringos Malereien erzählen Geschichten von der
Kraft weissmagisch arbeitenden Schamanen und den gefährlichen Umtrieben
schwarzmagisch operierender Shipibo vegetalistas. In zahlreichen
Darstellungen finden sich Inka-Priester aus längst vergangenen Zeiten, schamanische Krafttiere, Elementargeister
und andere Geistwesen. In einigen Gemälden tauchen sogar UFOs
und extraterrestrische Lehrer auf, die aus fernen Welten zur Erde gekommen
sind, um die Schamanen des peruanischen Urwaldes zu unterrichten und in die
Geheimnisse der Heilkunst und der Heilkräfte der Kräuter und Pflanzen des
Dschungels einzuweihen.
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Pablo Amaringos Ayahuasca
Vision "Huarmi_Nahui" |
Im
Jahre 1985 reisten zwei amerikanische Wissenschaftler nach Pucallpa,
eine Dschungelstadt am peruanischen Amazonas, um dort an einem ethnobotanischen
Projekt teilzunehmen.
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Der Ethnobotaniker Dennis McKenna,
ein Bruder des in schamanischen
Kreisen legendären Terence McKenna, und Luis Eduardo Luna
trafen während dieser Reise Don Pablo Amaringo. Dieser lebte
gemeinsam mit zwei Adoptivkindern, seiner Mutter und einigen anderen
Familienmitgliedern in einer primitiven Hütte im Armenviertel Pucallpas. |
Dennis McKenna
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Schon sehr bald nach dieser Begegnung,
erkannten McKenna und Luna, dass Amaringo nicht nur ein
enormes Wissen betreffend die Flora und Fauna des peruanischen Urwaldes
hatte, sondern auch hinsichtlich der schamanischen und mythologischen
Traditionen indigener Stammesgemeinschaften des Amazonasgebietes.
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Amaringo erzählte
den beiden, dass er viele Jahre selbst als vegetalista praktizierte,
dh als ein traditioneller schamanischer Heiler, der sein Wissen in Bezug auf
die Heilkunde unmittelbar von seinen Pflanzenlehrern bezieht.
Pablo César
Amaringo Shuna wurde als das siebte von dreizehn Kindern im Jahre
1943 in Puerto Libertad geboren, einer kleinen Ansiedlung am Ucayali
Fluss. |
Luis Eduardo Luna
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Sowohl väterlicher-, als auch mütterlicherseits führt
Amaringo seine Herkunft auf unterschiedliche indigene
Stammesgemeinschaften zurück, welchen auch die Stämme der Cocama, Lamista und
Pero angehören. Einige seiner Vorfahren waren schamanische Heiler. Sein
Grossvater väterlicherseits, Ambriosa Amaringo Vazquez, war ein
muraya, ein besonder kraftvoller Schamane, der sich - so die
Familienlegende - willentlich
unsichtbar machen konnte. Drei Brüder seiner Mutter praktizierten ebenfalls
als vegetalistas.
Im Alter von 10 Jahren nahm
Pablo Amaringo erstmals die entheogene Schamanenpflanze Ayahuasca
ein. Zu jener Zeit litt seine Familie unter bitterer Armut. Um dieser zu
entfliehen, zogen sie nach Pucallpa, wo Pablo zwei Jahre
lang die Schule besuchte, bevor er eine Arbeit annehmen musste, um seine
Familie zu unterstützen. In seiner Jugend bekam er schwere Herzprobleme. Im
Alter von 17 Jahren verschlimmerte sich seine Krankheit so sehr, dass er
beinahe gestorben wäre. Während dieser Zeit, konnte er mehr als zwei
Jahre hindurch keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Schließlich wurde
Amaringo durch einen lokalen Schamanen geheilt.
Jene
Herzerkrankung und die Behandlung derselben mittels Ayahuasca durch
den Curandero, ließen ihm später seine eigene Berufung zum Schamanen
erkennen.
In der
Zeit seiner Genesung, begann Amaringo erstmals zu zeichnen und zu malen.
Seine ersten Arbeiten waren Bleistiftzeichnungen. Später erhielt er von
einem Freund Permatex, eine blaue Substanz, mit welcher er seinen
Zeichnungen Farbe verleihen konnte. Da kein Geld für Papier und
Leinwand vorhanden war, verwendete er Verpackungskartons für seine Gemälde.
Gelegentlich borgte er sich Lippenstift und andere Kosmetika von seiner
Schwester, um damit seinen Bildern mehr Farbe zu geben. Später arbeitete er
mit Tinte und Wasserfarben. Irgendwann erhielt er von einem Freund einige
Tuben Ölfarbe, und Amaringo begann darauf erstmals mit seinen Gemälden Geld
zu verdienen.
Gleichzeitig mit der
Entdeckung und Entwicklung seines künstleri-schen Talents, entwickelten sich
auch seine Heilkräfte, und Amaringo wurde in der Folge ein bekannter
Curandero.
Während
dieser Zeit bereiste er sieben Jahre lang die gesamte Region und wirkte als
schamanischer Heiler. Immer mehr öffnete sich ihm die Kraft von Ayahuasca oder
yajé, ein Gebräu aus halluzino-tropen Pflanzen, das bei den
Stammesgemeinschaften in den entlegenen Gebieten des oberen Amazonas eine
uralte Tradition besitzt. Gegen Ende seiner Zeit als Schamane, wurde Amaringo
selbst Opfer einer schwarzmagischen Attacke. Im
Jahre 1977 gab er deshalb seine Tätigkeit als vegetalista auf und
wirkte von nun an ausschließlich als Maler und Lehrer.
Gute 10 Jahre später
gründete Pablo die Usko-Ayar-Schule, die auch heute
noch besteht. Hier brachte er seinen Schülern die von ihm angewandte Technik
des Imaginierens von Dingen bei, die später bildlich dargestellt werden
sollen. Der Zweck seiner Schule besteht darin, die Umwelt und Kultur des
Amazonas zu erhalten. Durch genaues Beobachten und anschließende bildliche
Darstellung der Natur und der darin lebenden Menschen, wird den Schülern die
immanente Schönheit und Fülle des Lebens im Amazonasgebiet bewusst, und sie
lernen diese zu respektieren.
Pablo Amaringo shows his Ayahuasca Paintings
Pablo Amaringo
erachtete es als seine Mission, dem Betrachter seiner Gemälde Einblicke in
spirituelle Dimensionen zu ermöglichen. Die Sprache, so Amaringo,
wäre ein unzulängliches Mittel, um das Numinose zu kommunizieren. 'Die
Spirits reden nicht', sagte er, 'sondern sie drücken sich in
Bildern aus'.
Als Luna und
McKenna im Jahre 1985 Amaringo trafen, lebte dieser in extremer
Armut. Mit den kärglichen Erlösen aus dem Englisch-unterricht, den er
in seinem Hause jungen Leuten gab, und dem Verkauf seiner Zeichnungen an
Touristen konnte er sich kaum über Wasser halten.
McKenna und Luna erkannten damals in seinen Gemälden Versinnbildlichungen innerer Visionen, welche durch Einnahme von Ayahuasca
induziert wurden.
Aufgrund der Bedeutung seiner psychedelischen Kunst,
stellten die beiden Don Pablo Amaringo der westlichen Öffentlichkeit
vor.
Luna
ermutigte Amaringo sich in seinem Werk noch mehr mit jenen
Ayahuasca-Visionen auseinander zu setzen, welche er seinerzeit als
Ayahuasquero gehabt hatte. Ab diesem Zeitpunkt entstanden jene
Werke, welche später die Basis für ein
heute vergriffenes Buch mit dem Titel
"Ayahuasca Visions: The Religious Iconography of
a Peruvian Shaman"
liefern sollten. Dieses Werk hat Amaringo gemeinsam mit
Luna im Jahre 1991 heraus gegeben.
Danach
wurde es längere Zeit still um Pablo Amaringo. Erst im Jahr 2006 trat er
wieder in Erscheinung, indem er die Einführung für ein neues Buch über
schamanische Medizin und heilige halluzinogene Schamanenpflanzen mit dem
Titel "Plant Spirit Shamanism: Traditional Techniques for Healing the
Soul" schrieb.
Der
peruanische
Ayahuasquero und Künstler Don Pablo Amaringo
verstarb
nach längerer schwerer Krankheit am 16.12.2009 in Pulcallpa, Peru.
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