Wie in Teil 3
ausgeführt, fasst Wilber transpersonale Bewusstseinszustände in drei Hauptgruppen zusammen. Entsprechend der
Reihenfolge ihres Auftretens teilt er diese nach den jeweiligen Erfahrungen
ein, die im jeweiligen Zustand der Bewusstseinsveränderung gemacht werden.
Die drei von Wilber genannten Hauptgruppen von transpersonalen Erfahrungen
sind: 1. Subtile (feinstoffliche) Erfahrungen; 2. Kausale
Erfahrungen und 3. Absolute Erfahrungen.
1. Subtile
(feinstoffliche) Erfahrungen
Unter 'subtilen Erfahrungen'
versteht Wilber jene feinen Bilder und Empfindungen, die auftauchen
(können), wenn die lauten, raueren geistigen Inhalte zum Schweigen gebracht
worden sind.
Die Erfahrungen, die sich einstellen,
können formlos, aber auch
als 'Gestalt' in Erscheinung treten. Formlose Erfahrungen können sein: reines
Licht, reiner Klang. Gestalthafte Erfahrungen können sein: alle möglichen
Bilder, bis hin zu universellen Panoramen von außerordentlicher Vielfalt und
Komplexität.
Archetypische Gestalten, die transpersonale und spirituelle Qualitäten
versinnbildlichen, können aufsteigen, etwa Bilder von Weisen, Engeln, Buddhas
und Dämonen. Solche Erfahrungen sind stets zugänglich, beispielsweise im shabd
des Yoga, in den jhanas des Buddhismus sowie im savikalpa-samadhi des
Hinduismus.
2. Kausale Erfahrungen
Die
auf die subtile Stufe folgende ist die kausale. Hier liegen keine Objekte mehr im
Bewusstseinsfeld. Nur das Bewusstsein selbst bleibt, aber nicht mehr als
Bewusstsein ‚von etwas’, sondern als reines Bewusstsein, als Bewusstsein an
sich. Dies ist der unmanifestierte Raum, die Leere, worin keinerlei Phänomene
mehr erscheinen.
Er realisiert sich in
Bewusstseinszuständen des Nirvana
des Buddhisten und dem nirvikalpa-samadhi des Hinduismus.
3. Absolute Erfahrungen
Obwohl die
kausale Ebene selten
erreicht wird, ist sie doch noch nicht die letzte. Einigen Traditionen gemäß
liegt jenseits der kausalen noch eine weitere
Stufe, welche Wilber die 'absolute Erfahrung' nennt. Streng genommen ist dies
weniger eine Stufe, sondern die conditio sine qua non aller
Stufen und Phänomene.
Hier erscheinen wieder
Phänomene, die aber jetzt
sofort als Schöpfungen des Geistes
erkannt werden. Auf dieser Ebene wird erkannt, dass Bewusstsein oder Geist alle
anderen Ebenen, Welten und Wesen des Universums durchdringt, sich in ihnen
manifestiert und mit ihnen identisch ist. Diese profunde Erkenntnis, wird im Zen
mit ‚Ein Geist’ bezeichnet und im
Hinduismus turiya und sahadj-samadhi genannt.
In diesem Zustand ist das Bewusstsein
weder nach außen, noch nach innen gerichtet. Vielmehr hat der Geist auf
dieser Ebene seine
wahre Natur wieder entdeckt. Das Bewusstsein hat zu sich selbst zurückgefunden
und erkennt sein Selbst in allen Dingen.
Für viele Traditionen ist das Erreichen dieses
äußerst stillen,
friedvollen und vollkommenen Zustandes das ultimative Ziel jeder
spirituellen Disziplin.
Dass
transpersonal Erfahrungen, welche in veränderten Geisteszuständen gemacht
werden, nur schwer verständlich zu machen sind, wird kaum
überraschen. Diese Erfahrungen und die Bewusstseinszustände in denen sie auftreten,
unterscheiden sich von unserem Wachbewusstsein so grundlegend, dass
es nahezu keine Vergleichsgrundlage gibt. Spirituelle
Meister betonen, dass es fast unmöglich sei, veränderte Bewusstseinszustände voll zu begreifen, ohne diese selbst erfahren zu haben.
Selbst
wenn die oberen Sphären der spirituellen Erfahrungen den meisten von uns nicht
zugänglich sein mögen, so können wir Erdgebundene deren Inhalte insoweit erahnen, dass uns die
hier aufgezeigten Unterschiede zwischen subtilen, kausalen und absoluten
Geisteszuständen ansatzweise deutlich werden.
Im
nächsten Teil werden
wir versuchen, den 'schamanischen Bewusstseinszustand' in das Wilber'sche
Klassifikationsschema einzureihen.
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