Das
deutsche Wort ‚Heilen’ beinhaltet die Silbe ‚heil’. Diese ist ihrerseits ein
eigenständiges, aus historischen Gründen weithin bekanntes Wort, das heute
nur mehr selten im deutschen Sprachgebrauch verwendet wird.
Das deutsche Wort ‚Heil’ wurde während der Zeit des Nationalsozialismus
überstrapaziert. Als eine Art Mantra wurde es zur Verfolgung politischer
Zielsetzungen vom damaligen Regime missbräuchlich verwendet und den Menschen
als Grußformel aufoktroyiert. Aus diesem Grunde löst dieses Hauptwort bei
vielen Menschen auch heute noch unangenehme Assoziationen aus. Aber nur wenige
Menschen kennen die mannigfaltige Bedeutung dieses Wortes.
Das Hauptwort ‚Heil’ hat folgende Bedeutungen:
1. Glückseligkeit; religiöse Erlösung; Gnadengeschenk; 2.
Wohlergehen; 3. der Nutzen; Besserung; Hilfe.
Das Eigenschaftswort ‚heil’ bedeutet:
1. unversehrt; unbeschädigt; unverletzt 2. nicht entzweit; ganz.
Und das Zeitwort ‚heilen’ bedeutet:
1. gesund machen; eine Krankheit beseitigen; von Schädlichem, falschem
Glauben etc. befreien 2. gesund werden; heil werden.
vgl. Neues Deutsches Wörterbuch, Karl-Heinz Göttert |
Das Wort "heil" leitet sich vom altgemanischen Wort "heilagr" ab. "Heilagr"
hatte bei den alten Germanen die Bedeutung von
"Sich-in-Harmonie-mit-der-Gottheit-Befinden".
Jeder Stammesgenosse, der damals die moralischen, ethischen und rechtlichen
Verhaltensregeln seiner Gemeinschaft befolgte, galt als ‚heilagr’, als ein
Individuum, das mit den Göttern im Frieden ist und deswegen auf deren Schutz
und Beistand vertrauen durfte. "Heil sein", bedeutete demnach "ganz sein", iSv 'Im-Frieden-mit-dem-Göttlichen-Sein'.
Wer damals gegen ein göttliches Gebot verstieß und etwa einen
Stammesgenossen tötete, der wurde nach altem germanischen Recht als
"unheilbar" betrachtet, was soviel bedeutete, dass der Betroffene durch das
Missachten des göttlichen Gebotes aus der Harmonie mit der Gottheit
herausgefallen ist.
Die rechtliche, sittliche und faktische Konsequenz dieses Herausfallens
bestand nach altem germanischen Recht darin, dass ein solcher Täter für
"vogelfrei" erklärt wurde. Damit war sein Schicksal besiegelt. Jedermann
hatte das Recht, ihn zu töten. Nach altgermanischem Recht, gab es keinerlei
rechtliche Sanktion für die Tötung eines Vogelfreien.
Der Stadtschamane sollte sich stets auch der ursprünglichen Bedeutung der
Worte ‚heil’, ‚heilen’, ‚Heilung’ bewusst sein, wenn er die Durchführung
einer schamanische Heilbehandlung an einem Klienten in Erwägung zieht.
Da diese Wörter im allgemeinen Sprachgebrauch mehrdeutig sind, muss er
insbesondere den Heilzweck, dh seine eigene Absicht sowie das
Ziel der von ihm durchgeführten Heilbehandlung aus rechtlichen Gründen
im Auge behalten.
Besteht
der Zweck einer schamanischen Heilbehandlung etwa darin, einen kranken
Klienten ‚gesund zu machen’ ODER darin, ‚eine bestehende Krankheit zu
beseitigen’, dann könnte das – juristisch gesehen – bei wörtlicher Auslegung
des Begriffes ‚Heilen’ eine Verletzung des im Teil 6 dieser Serie erörterten
‚Arztvorbehaltes’ darstellen. Der Stadtschamane MUSS darüber Bescheid wissen,
dass diesfalls ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet werden könnte.
Wenn aber der Zweck einer schamanischen Heilbehandlung - dh die
Absicht des Stadtschamanen UND/ODER das Ziel der von ihm
durchgeführten Behandlung - ausschließlich darauf gerichtet ist, einen
Klient von ‚Schädlichem zu befreien’, ODER dessen ‚Wohlergehen’ zu fördern,
ODER seine ‚Ganzheit’ im Sinne von Verbundenheit und Harmonie mit dem
Universum und den darin waltenden (göttlichen) Kräften wieder herzustellen,
ja dann bleibt bei wörtlicher Auslegung der Begriffe ‚heilen’ und ,Heilung’
selbst für den Juristen wenig Raum, einen Verstoß gegen den Arztvorbehalt
anzunehmen.
Nachdem der Zweck einer schamanischen Heilbehandlung im Interesse des
Stadtschamanen durch die juristische Brille betrachtet und zu seinem Schutz
vor behördlicher Verfolgung hinreichend erläutert wurde, werden wir diese im
nächsten Abschnitt vom schamanischen Hochstand aus betrachten.
Beachte:
Alle rechtlichen Ausführungen in diesem Artikel stellen die
Rechtsauffassung des Autors dar, der selbst rechtskundig ist. Diese
verstehen sich weder als Empfehlungen, noch sind sie eine Garantie, dass
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übereinstimmt. Aus diesem Grunde lehnt der Autor jede Haftung für
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