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Das magische Weltbild der Balinesen - Teil 3 von 3
von Dr. Friedrich Demolsky

Denkschema der Balinesen und Aristotelische Logik

Himmelsrichtungen haben magische Kräfte auf Bali. Die Kaja/Kelod-Achse, die heilige und profane Achse der Balinesen, steuert alles auf der Insel. Farben und Zahlen werden stets berücksichtigt.

Worte und Silben sind nicht nur Träger von Botschaften, sondern auch Verkörperungen mystischer Kräfte und das nicht nur in Form von Mantras, sondern auch für sich selbst. Bücher, insbesondere die Lontars, haben mystische Kraft.

Sogar Geräusche besitzen Kraft, nicht nur musikalische Melodien, sondern auch gewisse Silben, wie die mystischen und kraftvollen Silben ANG, UNG, und MANG, welche kombiniert OM hervorbringen.

Ein Gleiches gilt für die Tage der Woche, Monate und Jahre. Plätze, wie die Tempel, Friedhöfe, Märkte, Verbrennungsstätten, Berge, Seen und Flüsse besitzen eine spezielle Art mystischer Kraft und nur ganz bestimmte Tätigkeiten können an solchen Orten in Sicherheit durchgeführt werden.  

Sogar Autos und Mopeds haben mystische Kraft. Ein vorsichtiger Fahrer wird jeden Tag eine kleine Opfergabe in sein Auto legen oder an seinem Moped befestigen, bevor er es zweckentsprechend benützt.

Die Balinesen sind nicht paranoid hinsichtlich der Gefahren in unserer Welt, aber sie sind sich derer zu jeder Zeit bewusst - zum Zwecke ihres eigenen Schutzes. Diese magischen Kräfte sind zu jeder Zeit um sie herum anwesend und man kann nicht sagen, wann und wo sie eine Schwachstelle durchdringen und Probleme verursachen werden. Das Ergebnis dieses Denkens ist, dass von den Inselbewohnern tagtäglich Opferungen für fast alles Vorstellbare dargebracht werden.

Dieses Denkschema folgt nicht der Aristotelischen Logik, daher können auf Bali manchmal Opfergaben für einen bestimmten Ring gleichzeitig auch eine bestimmte Krankheit heilen. Opferungen, die für einen Gong gemacht wurden, können einem Baby dabei helfen, sprechen zu lernen. Und das Klettern auf einem Baum an einem ganz bestimmten Tag, wird nach diesem Denken höchstwahrscheinlich zu einem Unfall führen…

Nach(denk)bemerkung des Autors

Diese Art 'Logik' war und ist auch dem Westen nicht gänzlich fremd, obzwar sie dort seit der Zeit der Aufklärung schwer in Misskredit gebracht wird.

Die Abwertung bestimmter Weltbilder - auch schamanistischer und magischer - und die Bekämpfung von Denkschemata, die von der 'Norm' abweichen, erfolgt im Westen entweder aus Gründen der Staatsräson, oder aufgrund religions- und wissenschaftspolitischer Interessenslagen.

Der vorherrschende Wille zur Macht in der westlichen Kultur bestimmt bis auf den heutigen Tage über Akzeptanz, Toleranz oder Ablehnung bestimmter Weltbilder. Und dieser kulturell bedingte Dominanzanspruch rät im Westen zu bestimmten Zeiten zur Repression Andersdenkender und ruft bisweilen sogar zu deren strafgerichtlicher Verfolgung auf…

Demgegenüber kann und darf man auf der kleinen Schamaneninsel Bali am anderen Ende der Welt gleichzeitig beides sein: tot und nicht tot.

Vor kurzem wurde hier ein Mann durch einen Unfall "getötet". Einige Tage später versammelten sich die Männer des Dorfes, um den Körper zu waschen und zum Zwecke der Verbrennung zum Friedhof zu tragen. Es ist Brauchtum, dass nach der Leichenwäsche verschiedene Objekte auf den Körper des 'Toten' gelegt werden, welche diesen für die nächste Inkarnation fit machen sollen: Stahl auf die Zähne, um sie stark zu machen; Spiegelchen auf die Augen, um sie strahlend zu machen; ein Blatt des Intaran-Baumes auf jede Augenbraue, um sie attraktiv zu machen usw.

Als nun diese Tätigkeiten beendet waren, wandte sich einer dieser Männer an mich und erklärte mir, dass nun erst jene Person wirklich tot wäre.

Das würde aber doch bedeuten, dass der Verunglückte bis zum Abschluss jenes eigenartigen Rituals - zumindest nach balinesischer Sichtweise - noch 'gelebt' haben müsste…
 

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