In den
vorangegangenen Abschnitten haben wir uns mit dem proximativen Alter des
Schamanismus beschäftigt. Wir haben die stammesgeschichtliche Entwicklung
unserer Spezies beleuchtet sowie prähistorische Funde, die unsere
Urahnen vor undenklichen Zeiten hergestellt haben. Und wir haben aus den
bekannten Fakten den vorläufigen Schluss gezogen, dass bereits der frühe
Homo erectus alle erforderlichen Eigenschaften und Fähigkeiten besessen
haben dürfte, welche in ihrer Summe die conditio sine qua non für das
Auftauchen des Schamanismus bildeten.
Jedes tiefere
Nachdenken über die menschlichen Entwicklung erweist sich aber letztendlich als
ein Nachdenken über die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins.
Unsere
Betrachtung wäre nicht komplett, wenn wir die prähistorischen Fingerzeige
auf die wichtigste Vorbedingung für das Auftauchen des Schamanismus außer
Acht lassen würden - die Erweiterung des Bewusstsein.
Dabei
handelt es sich um einen besonderen und veränderten Geisteszustand, der dem Schamanen
den Zugang zur 'Anderen Seite' und den Verkehr mit den dort existierenden
Wesenheiten ermöglichte. Diese besondere Qualität des Bewusstseins muss bereits in jenen
frühen Epochen vorhanden gewesen sein.
Vergegenwärtigen wir uns nochmals die Ausgangslage
Bis zum
Auftreten des Homo erectus [etwa 1 Mio. Jahre vuZ] streiften über 5
Millionen Jahre hindurch verschiedene Arten unserer hominiden Vorfahren über
die Ebenen des Schwarzen Kontinents. Sie alle waren primitive Jäger und
Sammler und folgten den jahreszeitlichen Bewegungen der Tierherden. Die
ältesten Urahnen des Menschen (Millennium Mensch, Lucy und Australopithecus afarensis)
besaßen vor mehr als 3 Millionen Jahren bloß ein
relativ geringes Gehirnvolumen von etwa 400 ccm, welches sich erst während der
letzten drei Millionen Jahre kontinuierlich und markant vergrößert hat.
Der Homo
erectus hatte demgegenüber bereits vor einer Million Jahren ein Gehirnvolumen von etwa
1000cc. Sein Gehirn hatte sich also innerhalb einer zwei Millionen Jahre
dauernden Entwicklung um 250 % gegenüber der Gehirnmasse seiner älteren
Vorläufer ausgedehnt. Wir dürfen deshalb davon ausgehen, dass der Homo
erectus auch über wesentlich höhere kognitive Fähigkeiten verfügt
haben muss als jene älteren Vorläufer.
Was aber, war
die Ursache für jene enorme Zunahme des Gehirnvolumens?
Da man sich
jene dramatische Vergrößerung des Gehirns binnen der relativ kurzen Zeit von
zwei Millionen Jahren nicht erklären konnte, ging die Wissenschaft irrtümlich davon aus, dass es in der
stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen einen sog. ‚Missing Link’
geben müsste.
Man vermutete, dass ein unbekanntes Bindeglied in der
Entwicklungskette des Menschen existieren müsste, das uns eine Erklärung für die
in relativ kurzer Zeit erfolgte Vergrößerung des Gehirns liefern könnte.
Der Mensch ist, was er
isst!
Wenn ein derartiger
‚Missing Link’ tatsächlich existiert, dann erblicke ich diesen in der
dramatischen Veränderung der Ernährung
unserer frühen Vorfahren, denn erst damit änderte sich deren
Verhalten ganz entscheidend.
Diese
Veränderung in der Diät muss nach Erlangung der Fähigkeit zum
aufrechten Gang aufgetreten sein. Erst durch Letzteren waren unsere Urahnen in
der Lage, ihr ursprüngliches Ökosystem – die Bäume des afrikanischen
Urwaldes - zu verlassen und die Weiten der afrikanischen Savanne zu erkunden.
Dort kamen sie in Kontakt mit einer Natur, die mit ganz anderem Leben erfüllt
war als der dichte subtropische Dschungel. Sie betraten ein völlig neues
Biotop, eine Wildnis mit weiten Ebenen und Grasland mit Hügeln, Flüssen und
Seen, in der üppige Pflanzen und
wilde Tiere in freier Natur koexistierten.
Unsere
frühen Vorfahren, die sich vor jener dramatischen Wende noch rein vegetarisch
von den Früchten des Dschungels ernährt hatten, transformierten in dieser
Wildnis zu den ersten Jägern und Sammlern. Sie erlegten wilde Tiere und
sammelten alles Ess- und Verdaubare, um sich davon zu ernähren. Viele
Millionen Jahre hindurch durchwanderten sie auf ihrer Suche nach Nahrung die
afrikanischen Ebenen.
Der Missing
Link zur Bewusstwerdung
Ab
jenem Zeitpunkt, aber, ab dem unsere Vorfahren als Jäger und Sammler die Savanne
des Schwarzen Kontinents durchstreiften, war es bloß eine Frage der Zeit, bis
sie den ‚Pflanzen der Götter’, den haluzinothropen Pflanzen und Pilzen
begegneten. Letztere waren im neuen Ökosystem zahlreich vorhanden. Das
afrikanische Zebu hinterließ auf freier Wildbahn seinen Dung und sorgte damit
für einen ausgezeichneten Nährboden für jenen
psychedelischen Pilz, den wir heute unter dem Namen ‚Magic Mushroom’ kennen.
Die Alkaloide dieses Pilzes
(lat. Stropharia cubens oder auch Psilocybe cubens) haben äußerst kraftvolle
Wirkungen auf Körper, Geist und Seele. Damit werde ich mich in einer anderen
Artikelserie befassen.
Die
biochemische Zusammensetzung dieses Pilzes wirkt wie ein ‚Botenstoff’, der
Informationen in Form von vitalen Ideen, Gedanken, inneren Bildern und
kraftvollen Visionen von einer Art Lebewesen (dem Pilz) auf eine andere Art
Lebewesen (Tier und Mensch) übertragen kann.
Und genau
diese ‚hochmagischen' Informationen und Imaginationen veränderten die
ursprünglich sehr limitierte
Wahrnehmungsfähigkeit unserer frühen Vorfahren hinsichtlich ihrer äußeren
und inneren Realität.
Im Laufe der Zeit bewirkten die mutagenen
Bildekräfte dieses
psilocybinhältigen Pilzes jene Veränderungen (Mutationen) in der Genstruktur unserer Vorfahren, welche deren
Gehirnmasse kontinuierlich vergrößerten und ihre kognitiven Fähigkeiten
immer mehr potenzierten.
Der geistige Urgrund des
Schamanismus
Die wiederkehrende Einnahme dieses
überall
vorhandenen 'Magischen Pilzes' führte zum Stammeskult. Der zum Kult erhobene,
regelmäßig induzierte High-Zustand, löste bei unseren Vorfahren nicht nur
einen allgemeinen Quantensprung in der Bewusstwerdung aus, sondern er ist auch
der geistige Urgrund aus dem der Schamanismus aufdämmerte.
Interessante Hinweise aus
der Sahara
Hinweise für diese Überlegungen können in der Sahara südlich Algeriens gefunden
werden. Dort gibt es eine Gegend, die als Tassili-n-Ajjer Plateau bekannt ist.
Es handelt sich um eine labyrinthartige geologische Formation mit zahlreichen
erodierten Felsen,
wo wir ganz besondere Petroglyphen (Felsmalereien) aus dem späten Neolithikum
finden.
Hier
finden sich die ersten Darstellungen von Schamanen inmitten grasender
Rinderherden.
Der
Mensch war zu dieser Zeit bereits sesshaft geworden und betrieb Ackerbau und
Viehzucht. Durch letztere Beschäftigung war er von den 'Magic Mushrooms'
nicht mehr weit entfernt, denn sie gediehen überall dort, wo
seine Herde graste.
Die Schamanen auf diesen Petroglyphen tanzen mit vielen Pilzen in den
Händen, und
Pilzköpfe wachsen auch aus ihren Körpern.
Man hat auch den Eindruck, dass die
dargestellten Personen vergnüglich (high!) umherlaufen, oft umgeben von geometrischen
Strukturen, die offenbar ihre Halluzinationen repräsentieren.
Obwohl die Petroglyphen
auf dem Tassili-Plateau aus einer wesentlich juengeren Epoche stammen, bewerte
ich sie als wertvolle Hinweise, welche die hier vorgestellte
Theorie bezüglich des hohen Alters des Schamanismus eindrucksvoll
untermauern.
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